Coronavirus: Mit Big Data die Pandemie in Schach halten

Seite 3: CDU-Wirtschaftsrat: Bezahlinformationen einbeziehen

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Dem Wirtschaftsrat der CDU reicht das alles nicht. "Nach den jetzigen, notwendigen Maßnahmen müssen künftig beschränkt auf diesen absoluten Ausnahmefall möglichst viele Datenquellen ausgewertet werden, um Infizierte und deren Kontakte zu ermitteln", fordert der Generalsekretär des Verbands, Wolfgang Steiger. Konkret nennt er neben Mobilitätsprofilen auch "bewegungsrelevante Bezahlinformationen" wie Daten vom Einsatz von EC- oder Kreditkarten.

Das Infektionsschutzgesetz sollte Steiger zufolge schnellstmöglich erneut verschärft werden, damit entsprechende Daten an das RKI weitergeleitet werden dürften. "Freiwillige Maßnahmen zur Nachverfolgung von Infektionsketten haben nicht dasselbe Potenzial wie behördlich angeordnete Maßnahmen", meint der Unternehmer. Der Wirtschaftsrat schlägt deshalb vor, dass die Warn-App "Nina" des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe die Bevölkerung künftig "gezielt und individuell auf Basis ihres Standorts mit aktuellen Informationen versorgt".

"Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, welche herausragende Bedeutung aktuelle und qualitativ hochwertige Daten für Gesundheitsversorgung, Gesellschaft und Wirtschaft haben können", steht für Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom, bereits fest. Alexander Roßnagel, Sprecher des Forschungsverbunds "Forum Privatheit" und Professor für Technikrecht an der Uni Kassel, mahnt dagegen, dass das Sammeln und Analysieren von Massendaten auf ein Minimum beschränkt werden müsse.

"Gerade in Krisenzeiten ist es besonders notwendig, dass die Bürger dem Staat vertrauen", unterstreicht der Wissenschaftler. "Dies können sie umso eher, je stärker er durch seine Regelungen zeigt, dass er ihre Grundrechte schützt und durch Gestaltungsmaßnahmen in Einklang mit anderen Zielsetzungen – wie jetzt der Virusbekämpfung – bringt."

Besonders bei Bewegungsdaten sei eine effektive Anonymisierung nicht trivial, gibt die Leiterin des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein, Marit Hansen, zu bedenken. "Ein Nutzer, der sich morgens vom Ort A nach B, dann am späten Nachmittag weiter zu C und abends wieder zu A bewegt, wohnt vermutlich an Ort A, der Arbeitsort ist B, Einkaufen oder Freizeitgestaltungen wären dann bei C zu vermuten", gibt sie ein Beispiel. Lägen genaue Ortsdaten etwa per GPS vor, könne man in den meisten Fällen herausfinden, um wen es sich handelt.

Die Überwachung im Namen des Kampfes gegen die Coronavirus-Pandemie bedrohe Grundrechte langfristig, sorgt sich Joseph Cannataci, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatsphäre. Von der Gesichtserkennung bis zur Kontrolle von Bewegungsdaten setzten Regierungen auf technische Instrumente, um Ansteckungen zu verfolgen und die Bevölkerung während Kontaktverboten und Quarantäne-Auflagen im Auge zu behalten. Das größte Risiko dabei sei, dass solche Maßnahmen sich verstetigten.

[Update 6.4.2020 10:05 Uhr:] Die Telekom will den Handydaten-Lieferanten MotionLogic schließen – die Aussage wurde korrigiert. (tiw)