Countdown für die Mars-Mission Phoenix

Gegen 11:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit soll am morgigen Samstag die Mars-Sonde Phoenix von Cape Canaveral aus ihre 680 Millionen Kilometer lange Reise zum Roten Planeten antreten. Ziel ist die Suche nach Leben am mit Eis bedeckten Nordpol des Mars.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Delta-II-7925-Rakete verfügt über drei Brennstufen, die nacheinander abgeworfen werden. [Bild: NASA]

Vorbereitet ist alles: Die vierzig Meter hohe Delta-II-7925-Rakete steht auf Startplatz 17A der Cape Canaveral Air Force Station in Florida, neun anmontierte GEM-40-Booster sind mit Festtreibstoff für die Schubunterstützung in den ersten beiden Minuten des Fluges gefüllt, das vor zwei Wochen in die dritte Raketenstufe eingebaute Raumflug- und Landemodul hat die letzten Funktionstests erfolgreich absolviert. Spielt das Wetter mit – vorhergesagt sind lockere Bewölkung, leichte Boden- und Höhenwinde, gute Sicht –, heißt es am morgigen Samstag gegen 11:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit: "...5...4...3...2...Ignition....and we have a Liftoff". Die 420 Millionen US-Dollar teure Phoenix-Mars-Mission hätte die erste kritische Phase überstanden.

Hauptziel der Phoenix-Mission ist die Suche nach Leben am mit Eis bedeckten Nordpol des Mars. Dafür wird ein Landemodul mit einem etwa 2,30 Meter langen Roboterarm auf der Oberfläche abgesetzt, der sich durch die Eisschicht bohren soll. Wissenschaftliche Geräte sollen nach organischem Material im Boden suchen und die Zusammensetzung des Eises analysieren. Da nur alle 26 Monate ein günstiges Startfenster für einen Flug zum Mars offen steht, hatte die NASA den Start einer weiteren Delta-II-Trägerrakete für die ebenfalls anstehende Asteroiden-Forschungsmission Dawn zuletzt auf September verschoben. Die Ankunft der Phoenix-Sonde auf dem Mars ist für Ende Mai 2008 geplant. Auf ihrer Reise zum Roten Planeten wird die Sonde rund 680 Millionen Kilometer zurücklegen.

Die Schutzschalung für das Phoenix-Modul wird nach dem Ausbrennen der ersten Stufe abgesprengt. [Bild: NASA]

Nach dem Ausbrennen der ersten Stufe mit Rocketdyne-RS-27A-Triebwerk und Kerosin- sowie Flüssigsauerstofftanks in einer Höhe von rund 111 Kilometern über der Erde und der anschließenden Absprengung wird die zweite Stufe der Delta-II-Rakete erstmals gezündet und die Schutzschalung für das Raummodul in der dritten Stufe entfernt. In dieser Phase kommt ein Aerojet-AJ10-118K-Raketenmotor mit so genanntem hypergolischem Treibstoff zum Einsatz. Dimethylhydrazin wird dabei mit Distickstofftetroxid zusammengebracht, was zu explosionsartigen Verbrennungsvorgängen führt. Die zweite Stufe, die das zentrale Steuersystem der Delta-Rakete beherbergt, lenkt das inzwischen 167 Kilometer über der Erde befindliche Raummodul zunächst in eine Erdumlaufbahn, beschleunigt es aber schon vor Beendigung einer vollen Umkreisung mit der nächsten Zündung auf den vorberechneten Mars-Kurs.

Flieger, grüß mir die Sonne - Flugroute von Phoenix [Bild: NASA]

Nach weiteren zwei Minuten hat auch die zweite Stufe ihre Aufgabe erfüllt. Der Abtrennvorgang ist raffiniert: Mehrere kleine Raketen der dritten Stufe feuern nacheinander in kurzen Abständen, sodass die obere Stufe bis zu 70 Mal pro Minute um ihre eigene Längsachse rotiert und sich dabei aus dem Gewinde einer Halterung der zweiten Stufe schraubt. Ist der Abtrennvorgang absolviert, zündet ein von ATK Thiokol (inzwischen ATK Launch Systems Group) gebauter Star-48B-Feststoffraketenmotor für 87 Sekunden. Anschließend wird die Rotationsgeschwindigkeit durch das Abwickeln von Leinen, an deren Enden sich kleine Gewichte befinden, wieder reduziert. Das Prinzip kennt man vom Eiskunstlauf: Will ein Läufer die Rotationsfrequenz bei Pirouetten verringern, streckt er die Arme aus und verlagert dadurch Masse von der Rotationsachse weg. Rund eineinhalb Stunden nach dem Start wird auch die dritte Stufe abgeworfen und nur die so genannte Cruise Stage mit dem Landemodul setzt die Reise zum Mars fort.

Die Bodenkontrollstationen empfangen während der Startphase zwar dauerhaft Statusdaten von der Delta-Rakete, Einfluss auf die Raumkapsel haben sie aber erst wieder, wenn nach Abwurf der dritten Stufe eine Funkantenne aufgestellt ist. Dann werden auch die Solarkollektoren ausgefahren, die das Reisemodul mit Energie versorgen. Die Flugroute sieht vor, dass Phoenix in einem Halbkreis an der Sonne vorbeifliegt und den Mars am 26. Mai kommenden Jahres erreicht. Kurskorrekturen sind je nach Abweichung von den berechneten Koordinaten am 6. und 60. Tag nach dem Start und 45, 15 und 8 Tage sowie 22 und 8 Stunden vor der Ankunft vorgesehen. Das Landemodul befindet sich während der Reisephase in einer Schutzhülle, die erst kurz vor Erreichen des Mars abgesprengt wird.

Die vorgesehene Landestelle von Phoenix liegt in der nördlichen Polarregion des Mars. [Bild: NASA]

Rund sieben Minuten vor der Landung auf dem Roten Planeten trennt sich die Landekapsel vom Reisemodul und tritt kurze Zeit später in einer Höhe von 125 Kilometern in die Marsatmosphäre ein. Zum Abbremsen wird 13 Kilometer über der Marsoberfläche ein Fallschirm entfaltet, der die Geschwindigkeit des Landers auf 55 Meter pro Sekunde reduziert. 900 Meter über dem Boden trennt sich der Lander dann vom Fallschirm und es werden Bremsraketen gezündet, die erlauben, einen günstigen Landeplatz anzusteuern. Eine Viertelstunde nach dem (hoffentlich erfolgreichen) Aufsetzen des dreifüßigen Landers werden rundförmige Solarpanels ausgefahren, um Phoenix mit Energie zu versorgen. Zur Kommunikation mit den Kontrollstationen funkt der Lander über eine UHF-Antenne zunächst die Mars-Orbiter Odyssey und Reconnaissance an, die diese Signale dann zur Erde weiterleiten.

Die ersten Tage auf dem Mars – die rund 40 Minuten länger als ein Erdentag sind – dienen dem "Auspacken" und der Inbetriebnahme der zahlreichen Instrumente, die Phoenix im Gepäck hat. Zunächst werden die Masten für den Stereo Imager (SSI) und die Wetterstation (Meteorology Suite, MET) aufgestellt. Die von der kanadischen Weltraumagentur CSA entwickelte MET besteht aus einem LIDAR-System (Light Detection and Ranging) sowie Temperatur- und Drucksensoren und soll die Atmosphäre des Mars bis in 20 Kilometer Höhe untersuchen. Die SSI-Kamera kann 3D-Aufnahmen machen und mittels ihrer 12 Spektralfilter Informationen über die geologische Zusammensetzung der Oberfläche in der Landeumgebung liefern.

Mit dem etwa 2,30 Meter langen Roboterarm sollen Eis- und Bodenproben entnommen werden. [Bild: NASA]

Ist der Roboterarm einsatzbereit, lassen sich die ersten Eis- und Bodenproben entnehmen und dem Thermal Evolved Gas Analyzer (TEGA) zuführen. Die Proben werden dabei in mehreren kleinen (Einmal-)Schmelzöfen bis auf 1000 Grad Celsius erhitzt und es wird ihre chemische Zusammensetzung analysiert. Das Mars Environmental Compatibility Assessment (MECA) enthält ein optisches und ein Rastersondenmikroskop sowie eine Sonde zur Messung der Wärme- und Stromleitfähigkeit von Bodenproben. Für die Untersuchungen sind insgesamt drei Mars-Monate vorgesehen. Die NASA rechnet damit, dass die Funktionstüchtigkeit von Phoenix aufgrund von Staubablagerungen auf den Solar-Panels und der kürzeren Sonnenscheindauer im Mars-Herbst nach rund 150 Mars-Tagen nachlässt.

Die zentrale Steuerung des Landers übernimmt ein auf Power-Architektur von IBM basierender RAD6000-Computer von BAE Systems mit 74 MByte Arbeitsspeicher. Mit einem RAD6000 im Gehäuse fahren im Übrigen auch die beiden immer noch einsatzfähigen Marsroboter Spirit und Opportunity seit Anfang 2004 auf dem Roten Planeten herum. Der Landeplatz von Phoenix ist nicht weit von den aktuellen Aufenthaltsorten von Spirit und Opportunity entfernt – und im (unwahrscheinlichen) Fall eines Zusammentreffens hätte Phoenix sogar ein Gastgeschenk dabei: An Bord befindet sich nämlich eine Mini-DVD aus Quarzglas mit irdischer Musik und Literatur zum Thema Mars. Gespeichert sind auf "Visions of Mars" auch die Namen von 250.000 Erdenbürgern aus mehr als 70 Ländern, die sich bei der Planetary Society für eine Verewigung auf dem Mars angemeldet hatten. (pmz)