#Cryptoleaks: Schweizer Behörden mitverantwortlich

Schweizer Behörden tragen eine Mitverantwortung an der Affäre um den Chiffrier-Gerätehersteller Crypto AG. Nutznießer war der Schweizer Geheimdienst.

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(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Von
  • Tom Sperlich
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Ja, die Schweizer Behörden wussten sehr wohl Bescheid über die Machenschaften der Geheimdienste BND und CIA. Obendrein nutzte auch noch der Schweizer Geheimdienst die absichtlichen Schwächen der Chiffriergeräte. Das ergab eine Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation des Schweizer Parlaments (GPDel), welche im Februar dieses Jahres beschloss, Licht ins Dunkel der sogenannten "Crypto-Affäre" (#Cryptoleaks) zu bringen. Die GPDel ist zuständig für die Oberaufsicht über die Tätigkeiten der schweizerischen Nachrichtendienste.

In dem "Inspektionsbericht", der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, wird deutlich festgehalten, dass der schweizerische Strategische Nachrichtendienst (SND), eine Vorgängerorganisation des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), schon ab dem Jahr 1993 wusste, dass ausländische Geheimdienste hinter der Crypto AG standen.

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und die CIA kauften 1970 verdeckt die Crypto AG in Steinhausen (Kanton Zug), die über Jahrzehnte hinweg manipulierte Chiffriergeräte mit absichtlich schwacher Verschlüsselung an mindestens 100 Regierungen verkaufte. Dies erbrachten Recherchen von ZDF, des schweizerischen SRF und der Washington Post im Februar 2019. In den dem Recherche-Team zugespielten Geheimdienst-Dossiers wird die sogenannte "Operation Rubikon" als "eine der erfolgreichsten nachrichtendienstlichen Unternehmungen der Nachkriegszeit" bezeichnet. Der BND sei aber Anfang der 90er-Jahre ausgestiegen.

Wie die GPDel des Schweizer Parlaments in ihrem Bericht jetzt festhält, ist von einer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten in einer späteren Phase auszugehen. Der schweizerische SND spionierte zusammen mit US-amerikanischen Geheimdiensten auf Basis der manipulierten Verschlüsselungsalgorithmen, mit denen Entschlüsselungsaufgaben in kürzester Zeit erledigt werden konnten ("innerhalb von Sekunden, anstatt Monaten", Washington Post).

Wie der Untersuchungsbericht bemerkt, sei es zwar rechtlich zulässig gewesen, dass der SND und ausländische Dienste ein Unternehmen in der Schweiz gemeinsam nutzten, um Informationen über das Ausland zu beschaffen. Da die Kooperation aber "eine große politische Tragweite aufwies", erachte es die GPDel als falsch, dass die Schweizer Regierung erst Ende 2019 darüber informiert wurde. "Die Tatsache, dass diese Zusammenarbeit so lange vor dem Bundesrat verborgen blieb, stellt aber auch einen Mangel in der Führung und in der Aufsicht durch den Bundesrat dar", betont die GPDel. Dementsprechend trage der Bundesrat eine Mitverantwortung für den jahrelangen Export von "schwachen" Geräten durch die Crypto AG, bemerkt der Bericht.

Die Untersuchung der GPDel stützt sich auch auf streng geheime Dokumente, die der Nachrichtendienst in einem verborgenen Archiv in einem schweizerischen Kommandobunker ("K-Anlage") aufbewahrte und die Ende 2019 auftauchten. Nähere Angaben dazu sind in dem Untersuchungsbericht der GPDel zu finden.

Dieser Teil des Berichts, erstellt vom ehemailgen Bundesrichter Niklaus Oberholzer im Auftrag der GPDel, wurde jedoch nicht veröffentlicht. Er sei nur für die GPDel und den Bundesrat bestimmt. Der als streng geheim klassifizierte 90-seitige Bericht von Oberholzer enthält laut der GPDel "Informationen, die im Falle ihrer Bekanntgabe den Landesinteressen nachhaltig einen schweren Schaden zufügen könnten."

Möglicherweise ist die Affäre trotz des abschließenden Untersuchungsberichts der GPDel noch nicht vorbei. Verschiedene politische Kreise, etwa die SP, fordern "mit Nachdruck" eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK).

(bme)