DMEXCO: Die KI-Content-Maschinen

Die Beispiele an vielen Ständen der Marketingmesse zeigen: Wir stehen erst am Anfang einer riesigen Welle KI-erzeugter Inhalte.

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(Bild: Google)

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Ein bequemer grüner Sessel vor einem Retro-Röhrenfernseher mit einem Drehregler auf der Armlehne: Wer sich auf den Sessel setzt und an dem Regler dreht, sieht eine Version von sich im Fernseher, die durch die Zeitgeschichte gebeamt wird: Mal erscheint man als frühzeitlicher Affe, mal als mittelalterlicher Ritter, mal wird man in die Zukunft versetzt.

Der Aufbau namens Zeitseeing, den die Kreativagentur Jung von Matt Creators in Halle 7 (Stand 005) der Online-Werbemesse DMEXCO aufgebaut hat, könnte man als nette Spielerei abtun. Lässt man sich die Innereien von Zeitseeing erklären, wird einem aber schnell klar, was generative KI-Anwendungen für Umwälzungen im Werbemarkt mit sich bringen werden (und zum Teil bereits heute bringen): Mit KI können Werber fast kostenlos eine unendliche Masse an Inhalten generieren, maßgeschneidert auf die Zielgruppe – und wenn sie nur eine Person groß sein mag.

Der Autor mit einer frühzeitlichen Version von sich.

Zeitseeing setzt auf eine eigene Version des offenen Bildgenerators Stable Diffusion auf, Stables genannt. Sie wurde so hochgezüchtet, dass sie 16 Bilder pro Sekunde generieren kann. Es entsteht also fast der Eindruck einer Art Video aus den künstlich erzeugten Bildern. Wohlgemerkt: Zeitseeing benötigt dafür kein High-End-Servercluster mit eigener Starkstromversorgung. Es läuft auf gewöhnlicher PC-Hardware.

Dass sich Inhalte massenhaft und billigst für die verschiedensten Anwendungszwecke und Ziele herstellen lassen, können sich Besucher auf vielen Ständen der DMEXCO vorführen lassen. Der Anbieter Conversationmaker.ai zum Beispiel verspricht, Tausende maßgefertigter Texte innerhalb kürzester Zeit völlig automatisiert generieren zu können, in über 40 Sprachen und für weniger als 1 € pro Text. Und mit dem im Rahmen der DMEXCO vorgestellten Glossarfunktion des Übersetzungsdienstes Deepl sollen Teams in verschiedenen Sprachen auf einheitliche Weise kommunizieren können – nützlich für die internationale Brand Consistency.

Der Einsatz von KI beschränkt sich aber längst nicht mehr nur auf die Herstellung von Content, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette der Werbeindustrie: KI verschafft Werbenden Einblicke in (potenzielle) Zielgruppen, erkennt Produkttrends, erzeugt Inhalte, mit denen Werbetreibende Produkte in verschiedenen Kanälen zielgenau bewerben können, und soll sogar helfen, die verschiedenen Werbemaßnahmen so zu orchestrieren, dass am Ende für den Werbenden am meisten dabei herauskommt.

Es wird niemanden verwundern, dass der Werbe-Branchenprimus und KI-Pionier Google für die verschiedensten Aufgaben im Marketing KI-Lösungen im Köcher hat. Im Vorfeld hat Google zudem noch eine Reihe von neuen KI-Funktionen vorgestellt beziehungsweise angekündigt. So hat Google die KI-gestützte Bildbearbeitung für neue Werbeformen freigegeben. Jetzt können Werbetreibende Bilder für zum Beispiel App- und Display-Kampagnen per KI verbessern lassen – oder sich sogar neue Bilder generieren lassen. Laden Werbetreibende bis zu fünf Referenzbilder hoch, können sie mit einem Prompt neue bestellen, die Googles KI dann ausspuckt. Die neuen Bilder sollen der Ästhetik der Marke entsprechen.

Googles Sprachmodell Gemini hilft in Form eines Chatbots auch beim Formulieren von Anzeigentexten, allerdings bisher noch nicht für deutsche Anzeigen. Das soll sich „in den kommenden Monaten“ ändern, gab das Unternehmen im Rahmen der DMEXCO bekannt. Die KI-Content-Maschinen stehen also bereit und dürften in absehbarer Zeit heiß laufen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Welle der künstlich generierten Inhalten gewaltige Ausmaße annimmt.

(jo)