DUH will einstweilige Verfügung gegen geplante Gasbohrinsel vor Borkum erwirken

Obwohl das bei Borkum geförderte Gas nur weniger als ein Prozent des deutschen Verbrauchs ausmachen würde, wurde das Projekt politisch befürwortet.

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(Bild: Proxima Studio/Shutterstock.com)

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Gegen die vor Borkum geplante Gasbohrinsel des niederländischen Unternehmens One-Dyas wird der Widerstand weiter eskaliert. Die Stadt Borkum, die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, die niederländische Umweltorganisation Mobilisation for the Environment (MOB) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben am gestrigen Mittwoch eine einstweilige Verfügung gegen den bevorstehenden Bau der Bohrinsel vor dem zuständigen Gericht in Den Haag eingereicht. Gegen den Bau der Plattform hatten die deutschen und niederländischen Organisationen bereits im Juli eine Klage forciert. Dieses Verfahren ist weiter anhängig.

One-Dyas versucht schon seit mehreren Jahren eine Bohrplattform bei Borkum und der niederländischen Insel Schiermonnikoog durchzusetzen, seit dort Erdgasvorkommen belegt sind. Noch im Sommer 2021 hatte sich die damals rot-schwarze Regierung Niedersachsens gegen das Vorhaben positioniert, angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung durch den Krieg gegen die Ukraine rückte sie aber Anfang dieses Jahres von dieser Position ab und sprach sich für eine Neubewertung aus. Der mittlerweile nicht mehr im Amt befindliche niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) führte mit One-Dyas Gespräche, die in einer Unterstützung des Projekts mündeten.

Dort, wo die Bohrinsel entstehen soll, befindet sich ein naturschutzrechtlich geschütztes Riff. Wie die Deutsche Umwelthilfe erklärt, habe ein in Auftrag gegebenes Gutachten zur Untersuchung des Meeresbodens am geplanten Bauplatz nun auch ergeben, dass sich das Riff auch über die Landesgrenze hinweg auf niederländischer Seite erstreckt. Gemäß geltendem EU-Recht sei das Gebiet der Baustelle deshalb unter strengen Naturschutz zu stellen. Die Genehmigung einer Bohrinsel auf dem Gebiet sei rechtlich nicht haltbar.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner unterstreicht: "Bei der bisherigen Planung für die Gasbohrungen vor Borkum sind bereits schwere naturschutzfachliche Fehler gemacht worden. Das von uns in Auftrag gegebene Gutachten zeigt, dass das Riff an der deutsch-niederländischen Grenze nicht einfach aufhört, sondern auf niederländischer Seite weitergeht. Wir erwarten deshalb, dass die Niederlande sich an geltendes EU-Recht halten und veranlassen, die von One-Dyas geplanten Baumaßnahmen sofort zu stoppen. Nur so kann ein irreversibler Schaden an diesem sensiblen Ökosystem verhindert werden."

Der DUH zufolge, würde die vor Borkum zu fördernde Gasmenge weniger als ein Prozent des deutschen Gasverbrauchs abdecken. Damit sei sie für die deutsche Energieversorgung irrelevant. Umweltorganisationen und Klimaaktivist:innen kritisieren unlängst die nun schon zum Teil im Betrieb befindlichen LNG-Terminals und andere von der Bundesregierung geplanten Vorhaben zur Sicherung der Gasversorgung als zu ausufernd. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bemängelt etwa, dass das gerade in Betrieb genommene LNG-Terminal in Wilhelmshaven und ähnliche Projekte "fossile Infrastruktur auf Jahrzehnte" manifestiert. Damit betreibe die Ampel-Regierung "das Gegenteil von klimaverantwortlicher Politik".

International bekräftigte Klimaschutzzusagen, wie etwa das Pariser Klimaabkommen, sehen eine stetige Reduzierung des Gasverbrauchs vor. Auch die DUH macht dementsprechend deutlich: "Wir werden alle rechtlichen Schritte ausschöpfen, um dieses Projekt zu stoppen."

Borkums Bürgermeister, Jürgen Akkermann (parteilos), ergänzt: "Der deutsche FFH-Bericht (Fauna-Flora-Habitat-Bericht) von 2019 zeigt, dass sich die deutschen Riffe in einem ungünstigen bis schlechten Zustand befinden. Deshalb gilt ein Verschlechterungsverbot für diese Meeresgebiete, um die ökologische Vielfalt, die von diesem besonderen Lebensraum ausgeht, zu schützen und zu erhalten. Dieses sensible Ökosystem ist eng ineinander verzahnt und abhängig von den vorherrschenden Umweltbedingungen." Das Erdgasprojekt gehe mit Emissionen von Schadstoffen ins Wasser und in die Luft einher, auch kämen seismische Auswirkungen hinzu. "Die niedrigen erwarteten Fördermengen der Erdgasförderung stehen daher in keinem Verhältnis zu dem hohen Risiko für die Umwelt und unseren Lebensraum."

Die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland macht darauf aufmerksam, dass die EU-Kommission erst vor wenigen Tagen beschlossen hat, die Fischerei in genau diesem Seegebiet einzuschränken, "um das Riff als Lebensraum entsprechend seiner ökologischen Wichtigkeit für den Artenschutz zu erhalten." Auch die Abschlusserklärung der Artenschutzkonferenz von Montreal solle ermahnen.

Die an der Klage beteiligten niederländischen Organisationen warnen vor der desaströsen CO₂- und Umweltbilanz des Projekts. Stijn van Uffelen, Sprecher von Mobilisation for the Environment: "Wir befinden uns mitten in einer Klimakrise. Es ist außerordentlich wichtig, so schnell wie möglich aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Doch One-Dyas setzt stattdessen auf die Erschließung neuer Standorte und die Förderung von Gas bis mindestens 2060. Auf dem Highway zur Klimahölle will One-Dyas das Tempolimit aufheben. MOB fordert, dieses rücksichtslose Projekt sofort zu stoppen."

(kbe)