Dämpfer für Europas Batterie-Industrie: Northvolt beantragt Gläubigerschutz
Der angeschlagene schwedische Batteriekonzern Northvolt hat in den USA Insolvenzschutz beantragt. Der geplante Bau der Fabrik in Heide soll fortgesetzt werden.
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt hat in den USA einen Antrag auf Konkursschutz nach Chapter 11 des Insolvenzrechtsgesetzes der Vereinigten Staaten gestellt. Ein Rettungspaket ist zuvor offenbar gescheitert.
Wie das schwedische Unternehmen am Donnerstag mitteilte, hat es vor dem Konkursgericht der Vereinigten Staaten für den südlichen Bezirk von Texas eine Reorganisation nach Chapter 11 beantragt (Az. 24-90577). Das Chapter 11-Verfahren bietet Unternehmen, auch jenen, die lediglich eine Niederlassung in den USA haben, gerichtlichen Schutz vor Gläubigern. In der Regel melden Unternehmen Insolvenz nach Chapter 11 an, um eine vom Gericht überwachte Umstrukturierung der Firmenfinanzen zu erreichen. Ein Insolvenzverfahren am Northvolt-Hauptsitz in Schweden hätte dagegen den Einsatz eines Insolvenzverwalters vorgeschrieben.
Zugang zu neuen Geldmitteln
Die freiwillige Umstrukturierung ermöglicht Northvolt demnach den Zugang zu neuen Finanzierungsquellen, darunter rund 145 Millionen US-Dollar an Barsicherheiten und 100 Millionen US-Dollar an Debtor-in-Possession-Finanzierung (DIP). Diese spezielle Art der Finanzierung können Unternehmen in den USA während eines Insolvenzverfahrens nutzen. Sie ermöglicht in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Unternehmen, Kredite aufzunehmen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Ansprüche aus dieser Finanzierung haben Vorrang vor allen anderen bestehenden Schulden.
Der Geschäftsbetrieb werde während des Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 wie gewohnt fortgeführt, erklärte Northvolt. "Das Unternehmen wird seine Kunden weiterhin beliefern und gleichzeitig seinen Verpflichtungen gegenüber wichtigen Lieferanten und der Zahlung der Löhne an die Mitarbeiter nachkommen", heißt es in der Presseerklärung.
Bau der Fabrik in Heide geht weiter
Die Vorzeige-Batterie-Gigafabrik von Northvolt im schwedischen Skellefteå, sowie das Werk in Västerås, Schweden, bleiben nach Angaben des Unternehmens in Betrieb. Northvolt plant, die Produktion hochzufahren, "um die Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden zu erfüllen". Die Tochtergesellschaften Northvolt Germany und Northvolt North America "werden separat finanziert und werden außerhalb des Chapter 11-Verfahrens wie gewohnt als wichtige Bestandteile der strategischen Positionierung von Northvolt weiterarbeiten", heißt es.
Der im März begonnene Bau der Northvolt-Fabrik bei Heide im Kreis Dithmarschen geht also trotz der wirtschaftlichen Probleme weiter. Der Standort genießt nach Aussagen von Northvolt Germany-Chef Christofer Haux "höchste Priorität", berichtet NDR. Northvolt will in Schleswig-Holstein künftig Batteriezellen für bis zu einer Million Elektroautos pro Jahr bauen. In der Fabrik sollen 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Nach Angaben von Northvolt liegt der Bau der Fabrik bei Heide in dem festgelegten Zeitplan. Allerdings soll die Produktion dort laut NDR später starten als geplant – erst in der zweiten Jahreshälfte 2027. Ursprünglich war die erste Montage von Batteriezellen für Ende 2026 vorgesehen. Das Land Schleswig-Holstein und Bund stellten Fördergelder bereit in Höhe von rund 700 Millionen Euro. Bislang jedoch wurden diese Gelder noch nicht ausgezahlt. Northvolt Germany werde, solange die Restrukturierung andauert, keine Mittel abrufen, verspricht das Unternehmen.
Restrukturierung soll Northvolts langfristiges Ziel sichern
Der Antrag auf Gläubigerschutz "wird es Northvolt ermöglichen, seine Mission fortzusetzen, eine einheimische, europäische industrielle Basis für die Batterieproduktion zu schaffen", sagte der Interimsvorsitzende des Verwaltungsrats, Tom Johnstone. "Trotz kurzfristiger Herausforderungen wird diese Maßnahme zur Stärkung unserer Kapitalstruktur es uns ermöglichen, die anhaltende Marktnachfrage nach der Elektrifizierung von Fahrzeugen zu bedienen."
Der Schritt kommt nach monatelangen Gesprächen mit Gläubigern, Aktionären und Kunden, in denen versucht wurde, einen Weg zur Fortführung des Geschäftsbetriebs zu finden. Northvolt hat Arbeitsplätze abgebaut und Expansionspläne gestrichen, um die Liquiditätsengpässe zu überwinden. Anfang Juli hatte Northvolt-Chef Peter Carlsson in einem Interview mit der schwedischen Wirtschaftszeitung "Dagens industri" gesagt, dass das Unternehmen bei seinen Expansionsplänen im Wettbewerb mit etablierten chinesischen und südkoreanischen Batteriezellenherstellern etwas zu aggressiv gewesen sei. Zuvor hatte der deutsche Autobauer BMW einen Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag für Batteriezellen zurückgezogen. Hinzu kommt, dass sich die Nachfrage auf dem allgemeinen Markt für Elektrofahrzeuge verlangsamt hat. Verhandlungen mit Kreditgebern über ein 300 Millionen US-Dollar schweres Rettungspaket führten zu keiner Einigung und veranlassten Northvolt schließlich, nun Gläubigerschutz zu suchen. Voraussichtlich im ersten Quartal 2025 soll der Umstrukturierungsprozess abgeschlossen sein, teilte das Unternehmen mit.
(akn)