CERN transportiert Antimaterie im Lieferwagen: Experimente sollen Rätsel lösen

Mit aufwendiger Technik wollen Forscher am CERN Antimaterie transportieren und untersuchen. Die Experimente sollen helfen, wichtige Rätsel der Physik zu lösen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 68 Kommentare lesen
Elementarteilchenkollision

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

In der Verfilmung des Thrillers "Illuminati" von Dan Brown spielt Antimaterie eine zentrale Rolle: Ein Auftragskiller stiehlt einen Antimaterie-Behälter aus dem europäischen Kernforschungsinstitut CERN und will ihn als Bombe verwenden. Denn wenn Antimaterie mit Materie in Berührung kommt, knallt es gewaltig. Die "Annihilation" sorgt dafür, dass Materie und Antimaterie auf einen Schlag in Energie umgewandelt werden – ein halbes Gramm Antimaterie hat die Sprengkraft einer Atombombe.

Vieles an dem Szenario ist dramatisch übertrieben, aber Antimaterie gibt es tatsächlich. Sie wird auch wirklich am CERN hergestellt, und sie muss streng von der Außenwelt isoliert werden, damit sie nicht annihiliert. Bereits im kommenden Jahr sollen Anti-Teilchen erstmals in einem Lastwagen über den CERN-Campus transportiert werden, um sie in zwei Experimenten näher zu untersuchen, berichtet Nature.

Denn eines der großen, ungelösten Rätsel der Physik ist die Frage, warum das uns bekannte Universum aus Materie besteht, was wiederum zu der Frage führt, ob es wirklich keinen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie gibt.

Die Quantenmechanik jedenfalls gibt diesen Unterschied nicht her: Laut dieser Theorie sind Materie und Antimaterie lediglich zwei mögliche Lösungen der relativistischen Formulierung der berühmten Schrödingergleichung. Die Wellenfunktionen von Teilchen und Antiteilchen unterscheiden sich nur im Vorzeichen einer Quantenzahl – das Anti-Materie-Äquivalent eines Elektrons etwa ist ein Teilchen mit derselben Masse, demselben Spin, aber der entgegengesetzten Ladung: das Positron.

Die transportable Magnetfalle wird sorgfältig in den Lastwagen geladen, bevor sie zu einer Fahrt quer über das Hauptgelände von CERN aufbricht.

(Bild: Marina Cavazza, CERN)

Im Baryon Antibaryon Symmetry Experiment (BASE) wollen Forschende zunächst mit extrem präzisen Messungen untersuchen, ob Protonen und Antiprotonen dieselben magnetischen Eigenschaften haben. Damit das möglich wird, müssen sie die Antiprotonen, die im Beschleunigerring der CERN erzeugt wurden, allerdings an einen Ort bringen, an dem es weniger Störsignale gibt. BASE-STEP ist der erste Schritt dazu. In dem Experiment ist geplant, etwa 1.000 Antiprotonen in einer eine Tonne schweren Versuchsanordnung zu transportieren. Um die Antimaterie sicher zu transportieren, halten die Physiker die Teilchen in Vakuum-Gefäßen mit magnetischen Feldern in Position, sodass sie schweben, ohne die Wände zu berühren. Die Felder werden von supraleitenden Magneten erzeugt, ein Kühlsystem hält die Antiprotonen auf vier Kelvin (–269 °C) Temperatur. Die Apparatur ist Ende Oktober erstmals erfolgreich getestet worden – allerdings bisher nur mit normalen Protonen.

In dem zweiten Experiment, zu dem eine Milliarde Antiprotonen transportiert werden, geht es darum, die innere Struktur von Atomkernen zu erforschen. Dazu sollen Antiprotonen mit Neutronen und Protonen zusammenstoßen, die Zerfallsprodukte können dann analysiert werden. Die größere Anzahl von Antiprotonen bei dem PUMA betitelten Experiment und die für die Injektion von Isotopen und die Erkennung der Vernichtung erforderliche Ausrüstung bedeuten, dass PUMA ein viel größeres Fallensystem als BASE-STEP benötigt, das zehn Tonnen Ausrüstung umfasst. Der schwere Lkw muss dazu eine kurvenreiche, 1,5 Kilometer lange Strecke zurücklegen.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen. (vza)