House of the Dragon, Staffel 1: Das Haus der Widerlinge

Seite 2: Unvorteilhaftes Casting, ungeschickte Zeitsprünge

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Ein oder zweimal schafft es die Serie entgegen aller Vernunft fast, dass man sich mit einem der Protagonisten anfreundet. Aber dann zerstören die Macher das direkt, in dem sie einen Zeitsprung einbauen und die Figur plötzlich den Schauspieler wechselt. Diese Zeitsprünge zerstören die Dramaturgie der Serie fast völlig. Der erste kommt sehr abrupt und die damit einhergehenden Schauspielerwechsel zerlegen jegliche Sympathien, die man bis dahin vielleicht zaghaft mit den entsprechenden Personen aufgebaut hatte.

Interessanterweise ist aber gerade bei Rhaenyra, einer der Hauptprotagonisten der Serie, genau das Gegenteil der Fall, da diese Figur (wohl ein Verdienst von Emma D'Arcy) nach diesem Zeitsprung auf einmal viel nahbarer erscheint. Allerdings wirkt es auch so, als hätte sich Emma D'Arcy den Auftritt von Milly Alcock im ersten Teil der Staffel nicht mal angesehen. Die beiden spielen Rhaenyra so unterschiedlich, als sei sie plötzlich eine ganz neue Person. Das Ganze kann natürlich Absicht der Serienmacher sein, und den Wandel der Figur über die Jahre ausdrücken, aber der Zeitsprung und Wechsel der Schauspielerinnen (die sich obendrein nicht mal wirklich ähnlich sehen) kommt so plötzlich, dass der nichtsahnende Zuschauer einfach nur verwirrt ist.

Andere Personen sterben genau dann, wenn man gerade anfängt, sie zu mögen. Es wirkt ein wenig so, als hätten die Serienmacher auf ihrem Zettel stehen gehabt, dass es wichtig ist, dass in Game-of-Thrones-Serien Leute sterben. Leider haben sie dabei aber nicht verstanden, dass man diese Figuren vorher dem Zuschauer entweder so sympathisch oder so unsympathisch machen muss, dass ihn der Tod der Figur auch emotional betrifft. Wenn irgendein wuschelhaariger Junge stirbt, der vorher nur drei Zeilen gesagt hat, und zwei davon waren naiver Unsinn, kann er auch noch so spektakulär sterben, Emotionen wird der Zuschauer bei diesem Tod wohl kaum empfinden. Und bei einem König, bei dem die Serie Stunden investiert, ihn möglichst unfähig und dumm wirken zu lassen, freut man sich als Zuschauer auch einfach nur, wenn er endlich stirbt. Schon deshalb, weil man dann seinen Blödsinn nicht weiter ertragen muss. Es kann sein, dass George R. R. Martin diese Figur aus guten Gründen so geschrieben hat – aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch in einer Fernsehserie funktioniert.

Wenn man De Niros "The Irishman" gesehen hat, weiß man, dass Computereffekte keine Lösung für das Altern von Schauspielern sind und ahnt, warum "House of the Dragon" seine Besetzung auswechselt. Leider wird im vorliegenden Fall aber auch deutlich, wie auch diese Lösung gehörig in die Hose gehen kann. Vielleicht kann man eine Geschichte, die solche Zeitsprünge nötig macht, einfach nicht ohne größere Änderungen am Quellmaterial verfilmen. Die Vorlage von George R. R. Martin mag als Buch funktionieren, im Fernsehen fällt sie flach.

Es hilft ebenfalls nicht, dass "House of the Dragon" sehr wenig wirklich wichtige Handlung enthält und dass diese über zehn Folgen viel zu lang gestreckt wird. Vieles, was in diesen zehn Folgen passiert, sind reine Nebensächlichkeiten ohne wirkliche Konsequenzen – wie die ganze überflüssige Ablenkung mit dem Krabbenspeiser, vielen von Daemons anderen Eskapaden und auch die Suche nach Prinz Aegon, die sich viel zu lange hinzieht. Andere, scheinbar durchaus interessante Geschichten, finden in Gänze im Off statt – etwa der weitere Krieg in den Trittsteinen.

Aus der Vogelperspektive betrachtet, erweckt die Serie den Eindruck, als ob ein paar wenige, wichtige Charaktere sich endlos umeinander drehen und dabei immer wieder ihre Sympathien und Loyalitäten zueinander und im Verhältnis zu einer fast unüberschaubaren Anzahl von Kindern und potenziellen Erben ändern. Dabei wird viel geredet, ab und zu werden mit Messern und Schwertern Gliedmaßen ab- oder zugeschnitten und mindestens einmal pro Folge wird gevögelt. Aber eigentlich passiert kaum etwas von wirklicher Konsequenz – und das über Jahre und Jahrzehnte hinweg.

Und wenn die Staffel dann endlich, nach einer langen und mühsamen Folge nach der anderen, Fahrt aufnimmt, ist sie auch schon zu Ende. Denn sie hebt sich den besten Teil der sparsam rationierten Action mit einem Cliffhanger für die zweite Staffel auf. Es scheint fast so, als wüssten die Drehbuchschreiber, wie kurz davor viele Zuschauer an diesem Punkt sind, für immer abzuschalten. Und so ist das Ende der ersten Staffel ein Versprechen, in der Zukunft das zu liefern, was bisher gefehlt hat: eine spannende Geschichte. Leider haben die Macher von "House of the Dragon" bisher nicht gezeigt, dass sie fähig sind, dieses Versprechen einzulösen.