House of the Dragon, Staffel 1: Das Haus der Widerlinge

Seite 3: Lohnt es sich, diese Serie zu schauen?

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Im Vergleich zu unseren Eindrücken der ersten und zweiten Folge der Serie hat sich der Rest der Folgen, vor allem ab der zweiten Hälfte der Staffel, wenigstens an einigen Stellen verbessert. Die Dialoge sind in vielen Szenen besser geworden. Und auch die Spezialeffekte, vor allem der Drachen, wirken ausgereifter. Vielleicht werden sie aber auch nur besser in Szene gesetzt. Oder man hat sich einfach an den Look der Serie gewöhnt. Einige der Schauspieler scheinen sich mit Fortschreiten der Serie besser in ihre Rollen gefunden zu haben.

Trotzdem gibt es immer wieder auch in späteren Folgen Szenen, die merkwürdig gefilmt wurden und Teile der Geschichte, die wenig Sinn ergeben. Bei letzterem Punkt fallen einem Fragen ein wie: Wie konnte Laena halb tot unbemerkt aus ihrem Schlafgemach an den Strand laufen? Wie konnte Rhaenys unbemerkt ihren Drachen befreien und warum tötet sie nicht auf einen Schlag fast alle Targaryens, die ihr doch so viel Leid angetan haben? Und warum, zum Henker, stehen in jedem Thronsaal ein Dutzend Wachen herum, aber niemand greift ein, wenn Leute (darunter Kinder) haufenweise mit Messern, Dolchen und Schwertern aufeinander einstechen? Vielleicht lassen sich einige oder alle dieser Plotlöcher damit begründen, dass die Buchvorlage explizit als Geschichtsbuch aus einer unzuverlässigen Perspektive – ähnlich eines echten historischen Werkes mittelalterlicher Gelehrter – geschrieben ist und diese Geschichte den Perspektivwechsel zu einer strukturell konservativ verfilmten Fernsehserie schlicht und ergreifend nicht überlebt hat.

Woran auch immer es liegt, das Endergebnis ist eine erste Staffel einer Serie, die über signifikante Strecken ziemlich langweilig ist und es dem Zuschauer schwer macht, sich für die dargestellten Figuren und Geschehnisse zu begeistern. Hartgesottenen Game-of-Thrones-Fans wird das egal sein. Sie werden diese Serie schon deswegen anschauen, weil "Game of Thrones" draufsteht. Oder weil George R. R. Martin daran beteiligt war. Ob aber der Gelegenheitszuschauer, der "Game of Thrones" einfach nur spannend fand oder ein paar Charaktere der Vorgänger-Serie mochte, "House of the Dragon" sehen muss, bleibt zu bezweifeln. Dafür ist die Serie insgesamt einfach nicht gut genug und bis auf ein paar Orte und Namen, die dem Zuschauer bekannt vorkommen, hat das Gezeigte einfach keinen Einfluss auf die Welt, die uns mit "Game of Thrones" so ans Herz gewachsen ist. Außer dem Wahn, alles unter dem Banner "Game of Thrones" konsumieren zu wollen, gibt es einfach zu wenig gute Gründe, diese Serie anzuschauen. Sie hat bis auf reine Äußerlichkeiten viel zu wenig mit "Game of Thrones" gemeinsam. Warum neue Zuschauer, die den Vorgänger nicht regelmäßig geschaut haben, sich auf diese Serie einlassen sollten, bleibt durch die erste Staffel gänzlich unbeantwortet.

HBOs "House of the Dragon" und Amazons "Die Ringe der Macht" haben eigentlich rein gar nichts gemeinsam, außer dass sie beide im weitesten Sinne Fantasy-Serien darstellen und mehr oder weniger zufällig Kopf-an-Kopf gestartet sind. Aber schon deswegen werden sie miteinander verglichen und es steht die Frage im Raum, welche Serie die bessere ist. Das objektiv zu beantworten, ist unmöglich. Es hängt ausschließlich davon ab, welche Art Fantasy der Zuschauer bevorzugt. Obwohl das Herr-der-Ringe-Prequel "Die Ringe der Macht" nicht perfekt ist, vertritt der Autor dieser Rezension (subjektiver Weise) die Meinung, dass sie besser umgesetzt wurde, als das Game-of-Thrones-Prequel "House of the Dragon". Hauptsächlich deswegen, weil die Geschichte der ersteren Serie einfach packender ist und die Figuren eher zum mitfiebern anregen. Eine Meinung, die aber natürlich durch persönliche Vorlieben gefärbt ist.

Generell lässt sich sagen, dass die "Ringe der Macht" für Leute gemacht wurden, die klassisch-epische High-Fantasy bevorzugen, wohingegen "House of the Dragon" eher Zuschauer ansprechen sollte, die ihre Fantasy realistisch und an Historien-Dramen angelegt mögen. Für begeisterte Game-of-Thrones-Fans wird das Tolkien-Epos viel zu schwülstig-romantisch, abstrakt und, in Ermangelung einer besseren Beschreibung, unrealistisch daherkommen. Wohingegen Tolkien-Fans bei der Game-of-Thrones-Prequel-Serie epische Schwertkämpfe und Abenteuer vermissen werden und ob des langwierigen Gefeilsches über Tronfolger gelangweilt auf ihr Smartphone schauen.

Ein paar Dinge lassen sich aber auch objektiv feststellen: Die erste Staffel der "Ringe der Macht" endet nicht auf einem nervigen Cliffhanger. Dafür hat sich das HBO-Marketing für "House of the Dragon" auf die eigentliche Serie konzentriert, anstatt wie Amazon die eigenen Fans anzugreifen. Immerhin muss "Die Ringe der Macht" aber auch auf eigenen Beinen stehen und kann sich nicht, wie "House of the Dragon" auf den Lorbeeren des Vorgängers ausruhen, anstatt selbst Innovationen zu liefern. Es ist einfacher, eine packende Geschichte zu schreiben, wenn man auf Orks, Elfen und magische Ringe zurückgreifen kann. Der Zuschauer ist dann leichter gewillt, über in sich unlogische Abläufe und Plotlöcher in der Geschichte hinwegzusehen. Packende, interessante – und vor allem sympathische – Figuren kann man aber in jeder Art Setting schreiben. Und dass "House of the Dragon" das nicht hinbekommt, liegt an den Machern der Serie und nicht an äußeren Umständen.

Sollte man nur für "Die Ringe der Macht" ein Prime-Abo abschließen? Wohl kaum. Aber wer schon ein Prime-Abo hat, vielleicht aus anderen Gründen, tut nicht verkehrt daran, in die Serie mal reinzuschauen. "House of the Dragon" an sich ist aber definitiv kein WOW-Abo wert. Selbst für hartgesottene Game-of-Thrones-Fans nicht. Und das sollte den Serienmachern zu denken geben. Das Label "Game of Thrones" alleine wird diese Serie nicht für immer tragen.

Alle zehn Folgen von "House of the Dragon" sind in Deutschland exklusiv bei Sky und bei WOW, dem Nachfolger von Sky Ticket, im Streaming-Abo zu sehen.

(fab)