House of the Dragon, Staffel 1: Das Haus der Widerlinge

Die erste Staffel von "House of the Dragon" bleibt weit hinter den durch das Game-of-Thrones-Etikett geweckten Erwartungen zurück.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 223 Kommentare lesen

Figuren aus "House of the Dragon": Eine widerlicher als die andere

(Bild: HBO)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Vorsicht: Diese Rezension enthält eine Menge Spoiler zur ersten Staffel von "House of the Dragon".

"House of the Dragon", das neue Game-of-Thrones-Prequel von HBO, kann in der ersten Staffel die hohen an die Serie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Wäre dies die erste Fernsehserie, die auf den literarischen Werken von George R. R. Martin beruht, sie wäre sicherlich noch vor Ende der ersten Staffel abgesetzt worden. Aber alleine der Name George R. R. Martin, ganz zu schweigen vom Game-of-Thrones-Etikett, sorgt dafür, dass wir nicht davor verschont bleiben, mindestens eine weitere Staffel einer mittelmäßigen Serie serviert zu bekommen, die alleine von den Vorschuss-Lorbeeren ihres sagenhaft erfolgreichen Vorgängers lebt. Warum diese Serie, so wie sie ist, nicht wirklich funktioniert, ist einigermaßen kompliziert. Es folgt der Versuch einer Erklärung.

"House of the Dragon" ist, wenn man in einem Satz zusammenfassen wollte, schlicht und ergreifend weniger als die Summe seiner Teile. In der Serie sehen wir eine Menge einigermaßen begabte Schauspieler und ein paar, die wirklich gut sind – Matt Smith als Daemon Targaryen, Rhys Ifans als Hand des Königs Otto Hightower, Jefferson Hall als gleich zwei Lannister-Brüder, Graham McTavish als Kommandant der Kingsguard, Eve Best als Rhaenys Targaryen und Emma D'Arcy als älteste Verkörperung vom Rhaenyra Targaryen stechen besonders hervor. Die Spezialeffekte sind zwar nicht bahnbrechend, aber für eine Fernsehserie können sie sich im Großen und Ganzen sehen lassen. Manche Szenen wirken arg statisch und man kann quasi immer die Grenze des Greenscreens sehen, aber grundsätzlich sind die virtuellen und echten Sets schon brauchbar für das, was in der Serie gezeigt wird.

Aber genau da liegt auch schon ein großes Problem von "House of the Dragon": Es wird einfach nicht genug Interessantes gezeigt. Die Serienmacher haben alle Zutaten, eine gute Serie zu produzieren – ähnlich wie es auch in der ersten Staffel "Game of Thrones" der Fall war, die bei weitem nicht perfekt, aber immerhin sehr packend daherkam – aber sie machen einfach nicht genug daraus. In den ersten zehn Folgen dieser Staffel gibt es nur eine Schlacht und die ist ziemlich klein und auf grade zu peinliche Weise inszeniert. Es gibt Softcore-Pornografie-Einlagen, mehr oder weniger überzeugend animierte Drachen und eine Menge Gewalt, aber am Ende bleibt das alles nur Beiwerk zu einer ziemlich öden Geschichte über Familienintrigen. "House of the Dragon" wirkt ein wenig so, als hätten die Macher einer Strichliste von Dingen abgehakt, die ihrer Meinung nach zu "Game of Thrones" unbedingt dazugehören. Leider stand "ein spannender Plot" nicht auf dieser Liste.

Was die Macher von "House of the Dragon" sich ebenfalls nicht bei "Game of Thrones" abgeschaut haben, ist einer der wichtigsten Faktoren, warum diese erste Serie für lange Zeit so gut funktioniert hat: Interessante, sympathische Figuren. "Game of Thrones" hat auch Längen. Sicher nicht so viele wie die Romanvorlage, aber auch in dieser Serie passiert über längere Strecken außer der einen anderen Softcore-Porno-Einlage und viel Gerede nicht viel. Aber das ist egal, weil die Ur-Serie Figuren etabliert und diese dann Dinge erleben lässt, die dazu führen, dass dem Zuschauer diese Leute ans Herzen wachsen. Natürlich sterben sie fast alle früher oder später, aber genau das ist eben so bedeutsam für die Zuschauer, weil ihnen die Figuren eben wichtig sind. "Game of Thrones" funktioniert nur wegen seiner Figuren.

Das Problem mit den Figuren in "House of the Dragon" ist, dass sie fast alle Unsympathen sind. Die Serie könnte genau so gut "Haus der Widerlinge" heißen. Es gibt in der ganzen Serie keine einzige sympathische Figur. König Viserys ist ein dummer, träger, nichtsnutziger Weichling. Sein Bruder Daemon ist ein skrupelloser Dreckskerl. Seine Tochter Rhaenyra ist ein verzogenes, inzestuöses Blag. Königin Alicent, die einem am Anfang noch sympathisch ist, stellt sich später als ziemlich dumm und naiv heraus. Und als sie lernt, wie das Spiel um den Thron gespielt wird, wird sie plötzlich genauso widerwärtig wie Rhaenyra und Daemon. Ihr Vater Otto, der zuerst ebenfalls einigermaßen integer daherkommt, wandelt sich ebenfalls zu einem opportunistischen Intriganten, der im Gegensatz zu einem Tyrion Lannister aber leider nicht mal witzig ist. Alle anderen Figuren sind entweder übertrieben böse, übertrieben naiv, einfach nur nervig oder totlangweilig.

Vielleicht ist es einfach keine gute Idee, eine Serie zu drehen, die sich um die unsympathischste Familie von Westeros dreht. Daenerys Figur war deswegen so interessant, weil sie lange Zeit im Gegensatz zu dem stand, wofür die Targaryens eigentlich bekannt sind. Und sie war eine Außenseiterin, auch und gerade weil sie einen ganzen Kontinent unterjochen wollte. Aber ein ganzes Ensemble mit diesen Menschen will niemand sehen. Bei den Lannisters in "Game of Thrones" gab es immerhin noch interessante Widerlinge. Und man musste bei "Game of Thrones" auch nicht seine ganze Zeit mit ihnen verbringen. "House of the Dragon" hingegen scheint es darauf anzulegen, möglichst viele ekelige Zeitgenossen zeigen zu wollen.