Das neue Rennen ins All

Das Rennen ist eröffnet – zum zweiten Mal binnen 40 Jahren erlebt die bemannte Raumfahrt einen unerwarteten Boom.

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In seiner aktuellen Ausgabe (seit dem heutigen Donnerstag, 26.1., im Handel) nimmt Technology Review das neue Rennen ins Weltall unter die Lupe: Im Vergleich zu den Zeiten des Kalten Krieges hat sich das Teilnehmerfeld mächtig gewandelt. Der einstige Erzrivale der USA, Russland, ist dieses Mal nur im Verbund mit der europäischen Weltraumbehörde ESA mit im Rennen; Ziel der Kooperation ist ein eigenes landefähiges Raumfahrzeug. Zum neuen Hauptkonkurrenten der Weltraummacht USA dagegen hat sich ein Volk gemausert, dem man noch vor wenigen Jahren nichts dergleichen zugetraut hätte: die Chinesen.

Mit dem ersten bemannten Raumflug im Oktober 2003 etablierte sich China als dritte Macht, die aus eigener Kraft Menschen ins All bringen kann. Im kommenden Jahr will die Volksrepublik einen Mondsatelliten und ab 2017 ein Programm für bemannte Mondflüge starten. Lediglich umgerechnet etwa 170 Millionen Dollar stehen den Chinesen für die erste Stufe ihrer ehrgeizigen Pläne zur Verfügung. Doch Fu Xiangdong, Direktorin der Verwaltungsabteilung des chinesischen Mondforschungszentrums, gibt sich gegenüber Technology Review optimistisch: "Unser Standpunkt lautet: niedrige Investitionen und hohe Resultate, das ist eine chinesische Tradition." Die Chefplanerin will dies nicht durch Dumpinglöhne fürs wissenschaftliche Personal erreichen. "Unsere Wissenschaftler können mit ihren jetzigen Gehältern ein sehr gutes Leben führen. Unser Etat ist niedrig, weil wir für die erste Stufe ausgereifte, vorhandene Technologien nutzen."

Ernst zu nehmende Ambitionen im All hat schließlich auch Japan: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt will mit einer eigenen Mondsonde, die 2007 starten soll, zum wichtigsten Datenlieferanten für alle Mondprogramme in diesem Jahrhundert aufsteigen: Yoshihisa Takizawa, Leiter des zur griechischen Mondgöttin Selene abgekürzten japanischen Mondprojekts Selenological and Engineering Explorer ist überzeugt: "Unser Projekt gibt der Welt die Basisdaten für die Mondprogramme des 21. Jahrhunderts".

Doch nicht nur die Besetzung, auch die Spielregeln haben sich bei dieser Neuauflage des Wettlaufs ins All geändert: Diesmal gewinnt nicht, wer eine Fahne in den Mondboden rammt. Diesmal geht es um eine permanente Präsenz auf dem Mond – und um die nächste Etappe: den Mars. Denn der neue Enthusiasmus für die bemannte Weltraumfahrt ist nicht hauptsächlich wissenschaftlich begründet. Vielmehr entspringt er politischem Kalkül: Spätestens seit US-Präsident George W. Bush im Wahlkampfjahr 2004 vollmundig seine neue Vision der amerikanischen Raumfahrt angekündigt hat, ist die Stoßrichtung klar: Die Raumfahrt dient nicht nur der Demonstration der eigenen technischen Leistungsfähigkeit, sondern auch der Sicherung strategischer Interessen. (wst)