Datenschutz für EU-Sicherheitsbehörden bleibt heftig umstritten
Datenschützer und Politiker forderten auf einem Symposium die Etablierung eines hohen Datenschutzstandards für Strafverfolger in der EU als Ausgleich für den entstehenden "Binnenmarkt" der Polizeibehörden.
Bürgerrechtler und Politiker forderten auf einem Symposium zum Datenschutz in Europa die Etablierung eines hohen Datenschutzstandards für die Sicherheitsbehörden in der EU als Ausgleich für den entstehenden "Binnenmarkt" der Strafverfolger. "Die Strafverfolgungsbehörden in einem Mitgliedsstaat sollen einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Datenbanken anderer erhalten", verwies der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bei der Berliner Tagung auf den inzwischen von den EU-Innenminister beschlossenen Prümer Vertrag und das Haager Programm. Da dabei Informationen ausgetauscht werden, die teilweise hochsensibel sind und immer mehr Nutzern europaweit zur Verfügung stehen, sei auf der anderen Seite ein hohes und einheitliches Datenschutzniveau dringend erforderlich.
Die Datenschutzbestimmungen im Vertrag von Prüm können die Lücke laut Schaar nicht füllen. Sie enthalten keine Bestimmungen zur weiteren Verwendung der insbesondere betroffenen DNA-, Fingerabdruck- und Kraftfahrzeugdaten aus Polizeibeständen, wenn diese erst einmal ausgetauscht worden sind. Aber auch der jüngste Vorstoß der deutschen Ratspräsidentschaft für einen Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Sicherheitsbereich, der unter anderem weite Ausnahmen für "nachrichtendienstliche Tätigkeiten" und bei der Weitergabe von Daten in Drittstaaten wie die USA vorsieht, ist für die Fachwelt unbefriedigend.
Der Vorstandsvorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, Hansjürgen Garstka, bemängelte eine nicht ausreichende Reichweite der Bestimmungen. So würden etwa der Großteil der Informationen in Papierform oder Fernschreiben nicht erfasst. Zudem sei die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, da alle für die Strafverfolgung "erheblichen" Daten verarbeitet werden dürften. Bei der Qualitätsprüfung sowie der Kennzeichnung von Daten, die aus umstrittenen Quellen kommen, sei es bei reinen Kann-Bestimmungen geblieben. Bei der Möglichkeit zum Transfer der Daten an Dritte sollte Garstka zufolge zumindest eine Einschränkung auf relevante Rechtsgüter vorgenommen werden. Vom Auskunftsanspruch der Betroffenen bleibe zudem angesichts weiter Ausnahmekriterien "eigentlich nichts übrig". Auch seien die Befugnisse der Kontrollinstanzen zu schwammig. Nötig sei die Erlaubnis, "auch mal den Stecker zu ziehen".
Der griechische EU-Abgeordnete Stavros Lambrinidis wies auf zahlreiche jüngst verabschiedete Änderungsanträge des EU-Parlaments zum geplanten Rahmenbeschluss sowie zum Prümer Vertrag hin. Gleichzeitig machte er aber klar, dass die Volksvertreter im EU-Sicherheitsbereich nach wie vor nur Empfehlungen für die politische Debatte in Brüssel und in den Mitgliedsstaaten abgeben dürften. Die deutsche Präsidentschaft kritisierte der Sozialist scharf, da sie das Prümer Übereinkommen "durchgepeitscht" habe und sich keiner die Bestimmungen genau habe anschauen können. Insgesamt geht Lambrinidis der wachsende Überwachungsdruck zu weit: Der Orwellsche Albtraum einer Big-Brother-Gesellschaft wird seiner Ansicht nach verwirklicht, "weil wir immer wieder ja sagen, bis wir aufwachen und erkennen, dass wir in einer solchen leben." Man müsse daher auch die kleinsten Schritte in diese Richtung bekämpfen und dürfe nicht unter dem Einfluss der Angst vor Terrorismus die Grundrechte aufgeben. Die größte Gefahr für die Demokratie sei es, "wenn sich die Bürger nicht mehr ihre Meinung zu sagen trauen".
Als "zwingend" bezeichnete es mit Spiros Simitis einer der Nestoren der europäischen Datenschutzgesetzgebung, dass sich der Rat rasch auf klare Regelungen zum Schutz der Privatsphäre im Polizeibereich verständigt. Mit dem Haager Programm verstehe sich die EU seit 2004 als politische Union, die sich um mehr als den reinen Binnenmarkt kümmere. Daher müsse sie sich auch verpflichten, die Grundrechte zu achten. Der Datenschutz sei ein direktes Derivat davon. Nötig sei auch eine neue Diskussion über die europäische Verfassung. Bisher instrumentalisiere der Rat die Kommission in umstrittenen Sicherheitsfragen wie der Übermittlung von Flugpassagierdaten an die USA oder der Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten und gebe ihr Texte vor, für die unter den Mitgliedsstaaten selbst kaum eine Einigung herzustellen sei. Mit einer EU-Verfassung würden die Kompetenzen der einzelnen Gremien dagegen feststehen; das "Tennisspiel" zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission wäre nicht mehr möglich.
Beim Rahmenbeschluss für den Sicherheitsbereich legte Simitis Wert darauf, dass es sich nicht um eine "Scheinlösung" handeln dürfe. Insbesondere sei zu verhindern, dass die im nationalen Rahmen bereits erreichten Datenschutzbestimmungen eingeschränkt werden. Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums versicherte, dass man sehr um eine rasche Beschlussfassung bemüht sei. Die laut gewordene Kritik versuchte er mit dem Hinweis zu entkräften, dass es "Beschreibungsschwierigkeiten" bei der Abbildung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebe und man sich bei vielen Formulierungen an der bestehenden Richtlinie zum Datenschutz im Privatsektor orientiert habe. In machen Ländern seien zudem Polizei- und Geheimdiensttätigkeiten in einer Behörde vereint, sodass nun Tätigkeiten im Rahmen der Wahrung der Staatssicherheit ausgenommen werden sollten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und EU-Justizkommissar Franco Frattini hatten sich zuvor zuversichtlich gezeigt, den Rahmenbeschluss spätestens bis zum Ende des Jahres hinzukriegen. (Stefan Krempl) / (vbr)