Neues Abkommen zum Transfer von Flugpassagierdaten nimmt Gestalt an

Die EU-Seite spricht von Fortschritten bei den Verhandlungen, während der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar eine Reduzierung der langen Liste der an die USA zu übermittelnden Datensätze fordert.

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Die EU-Seite spricht von Fortschritten bei den Verhandlungen um ein längerfristiges transatlantischen Abkommen über die Weitergabe von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR). Der amtierende Ratsvorsitzende der EU-Innenminister, Wolfgang Schäuble, erklärte am gestrigen Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit Vertretern der US-Regierung und der EU-Kommission, dass die Gespräche ein gutes Stück weit vorangekommen seien. Der internationale Vertrag werde noch vor dem Gipfel der acht führenden Industrienationen (G8) im Juni in Heiligendamm unterschriftsreif sein. Die Staats- und Regierungschef müssten sich dort nicht mehr mit dem heißen Eisen beschäftigen.

Auch laut EU-Justizkommissar Franco Frattini sind beide Seiten einer Lösung näher gekommen. Man sei sich einig, bei der Datenerhebung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und den Zweck für die Verwendung der Daten genau festzulegen. Es sei wichtig, dass nur Daten gespeichert würden, die tatsächlich für die Vermeidung von Anschlägen relevant seien. Auch von Washington werde prinzipiell nicht mehr angezweifelt, dass die personenbezogenen Daten nur für die Terror- und Kriminalitätsbekämpfung verwendet werden dürften. Offen sei aber, wer Zugriff bekommen und den Umgang mit den Informationen überwachen solle.

Schäuble räumte ein, dass es beim Datenschutz nach wie vor unterschiedliche Ansichten gebe. US-Heimatschutzminister Michael Chertoff beteuerte noch einmal, dass sein Land "das Recht hat, auf den Informationen zu bestehen, die es benötigt". Er verteidigte die Erhebung der Flugpassagierdaten unter anderem mit dem Hinweis auf die Attentäter des 11. September 2001: Wären die Informationen über die Flugreisenden schon damals abgefragt worden, hätte bereits bei der Einreise eine Verbindung zwischen den meisten der 19 Selbstmordattentäter hergestellt werden können. Zwei der Extremisten hätten bereits auf einer Warnliste der US-Behörden gestanden, drei weitere Attentäter hätten sich mit ihnen eine Adresse geteilt.

Das ursprüngliche Abkommen der EU mit den USA kassierte der Europäische Gerichtshof im Mai 2006 wegen fehlender rechtlicher Grundlage. Eine im Herbst mit heißer Nadel gestrickte Interimsvereinbarung läuft noch bis Ende Juli. Fluggesellschaften in den EU-Staaten geben den US-Behörden gegenwärtig 34 Detailinformationen pro Passagier frei, die offiziell zunächst dreieinhalb Jahre gespeichert werden dürfen. Die Angaben enthalten nicht nur Namen, Geburts- und Flugdaten, sondern auch Kreditkarteninformationen, besondere Verpflegungswünsche, weitere Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern.

"Diese 34 Datenfelder sind zu viele", bemängelte der Bundesdatenschutzbeaufragte Peter Schaar nun anlässlich der Berliner Runde im ARD Morgenmagazin. Er verwies auf Bestrebungen in den USA, die Daten künftig nicht dreieinhalb, sondern bis zu 30 Jahre zu speichern. Die biometrischen Daten, die mit einem Fingerabdruck und einem Gesichtsfoto direkt bei der Einreise im Rahmen des US-VISIT-Programms erhoben werden, würden schon jetzt für 99 Jahre archiviert. Schaar beklagte auch, dass die US-Behörden direkten Zugriff auf die Buchungssysteme der Fluggesellschaften hätten. Dies müsse sich ändern. Weiter bemängelte Schaar, dass eigentlich jedes Jahr eine Überprüfung der von den USA erhobenen Daten stattfinden sollte, aber dies bisher erst einmal gelungen sei.

Die FDP forderte derweil eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Datenweitergabe. "Der jetzige Zustand ohne eine klare gesetzliche Regelung kann nicht länger hingenommen werden», sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Ernst Burgbacher. Bei einem Abkommen müssten die europäischen Datenschutzstandards gelten.

Das EU-Parlament hatte zuvor befürchtet, dass die Fluggastdaten für Wirtschaftsspionage unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung missbraucht werden könnten. Auch im Bundestag forderten Oppositionspolitiker vor kurzem eine strikte Zweckbindung der Informationsübertragung und möglichst eng begrenzte Speicherfristen. PNR dürften nicht für das von den US-Behörden momentan überarbeitete Überwachungsprogramm Automated Targeting System (ATS) zur Risikobewertung von Einreisenden in die USA gemäß einem undurchsichtigen Scoring-Verfahren verwendet werden. Alle Fraktionen im Parlament riefen die Regierung jüngst auf, bei einem neuen Abkommen ein angemessenes Datenschutzniveau sicherzustellen, "insbesondere bei der Begrenzung der Datenübermittlung und der Zweckbindung".

Im Blickpunkt der Berliner Gesprächsrunde standen auch Probleme der Rekrutierung von Anhängern terroristischer Strukturen. Große Bedeutung maßen die Teilnehmer dabei dem globalen Datennetz zu. "In der Abstraktion des Internets wächst die Gefahr der Radikalisierung", räsonierte Schäuble. Daher müssten die technischen Möglichkeiten und gesetzlichen Grenzen der Bekämpfung derselben ausgelotet werden. Nationale Ansätze allein würden nicht zum Ziel führen, Europa und die Vereinigten Staaten müssten sich eng austauschen. Schon bei einer Unterredung im Herbst traten Schäuble und Chertoff geeint für eine schärfere Internetüberwachung ein.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch die Ăśbersicht ĂĽber die bisherige und die aktuelle Berichterstattung im Online-Artikel zum Start der Anti-Terror-Datei:

(Stefan Krempl) / (jk)