Delphi feiert zehnten Geburtstag

Am 14. Februar 1995 wurde die Version 1.0 der Entwicklungsumgebung Delphi der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Von
  • Arne Schäpers

Delphi wird zweistellig -- zwar nicht mit der Versionsnummer (aktuell: 9), aber an Jahren: Am 14. Februar 1995 hat Borland die Version 1.0 auf der Software Development Conference in Kalifornien der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu bestaunen gab es eine Entwicklungsumgebung modernster Art: eine reinrassige, monolithische Windows-Anwendung, komplett objektorientiert, mit einer Bibliothek visueller Komponenten, die sich in Formulare einsetzen ließen. C-Programmierer durften 1995 zwar schon das ++ im Munde führen, hatten sich aber mit dem Dialog-Editor von Microsofts Entwicklungsumgebung herumzuschlagen. (Der Ruhm, die formularbasierte Programmierung populär gemacht zu haben, gebührt allerdings nicht Delphi, sondern Visual Basic.)

Tatsächlich hatte Delphi 1 mit seinem Vorläufer Turbo Pascal außer der zugrunde liegenden Sprache eigentlich nur noch eines gemeinsam: einen nicht nur im Vergleich zu Microsofts C unglaublich flinken Compiler. Na gut, und einen lausigen Linker und einen noch lausigeren Codegenerator -- auch Genies wie Anders Hejlsberg, der Erfinder von Turbo Pascal und Delphi, können eben nicht auf allen Gebieten gleich überragend sein. Im Unterschied zum damals noch interpretierten Visual Basic konnte man mit Delphi aber "richtige" Programme schreiben, was auch fleißig geschah: Das erste weltweit mit Delphi 1 geschriebene Produkt war ein von der digital publishing für den Systhema Verlag erstellter Sprachkurs. Er erschien einige Tage vor dem Compiler auf dem Markt und war mit der entsprechenden Menge wehe-ihr-sagt-was-Verträgen bepflastert.

Delphi 2 erschien im Frühjahr 1996 und markierte einen großen Sprung, der erst einmal als Bauchlandung endete: Obschon es erstmals 32 Bit, Windows 95 und Windows NT unterstützte, enthielt es mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Aus der Asche dieses Produkts entstieg Mitte 1997 phönixgleich die Version 3, nicht zuletzt vom Verfasser dieses Geburtstagsständchens nahezu frenetisch beklatscht: echte 32 Bit, eine wirklich stabil laufende Entwicklungsumgebung, ein komplett neuer Codegenerator, der Hejlsbergs in die Jahre gekommenen Code nicht nur in der Werbung, sondern auch bei realen Anwendungen um den Faktor vier schlug. Goldene Zeiten, in denen das 1998 auf den Mark gebrachte Delphi 4 noch das eine oder andere I-Tüpfelchen lieferte. Der Aktienkurs von Borland -- oder besser Inprise, wie sich Firma zwischenzeitlich nannte -- stieg zeitweilig bis aufs Doppelte im Vergleich zum Erscheinungszeitpunkt der Version 2.

Die Folgeversionen 5, 6 und 7 versuchten weniger über neue Features als über eine immer größere Menge an Drumherum zu beeindrucken, von Reportgeneratoren über komplette SQL-Server bis hin zu neuen Strukturierungs-Tools. Und natürlich Komponenten in Hülle und Fülle, bei denen man wirklich nur noch für ein wenig Verdrahtung sorgen musste, um ein komplettes Programm mit ihnen zu stricken. Nicht zu vergessen Borlands Engagement in Richtung Linux: Kylix. Einst als "VB Killer" apostrophiert, ist es mittlerweile wieder ein wenig stiller geworden um das Projekt, was natürlich auch am allgemeinen Trend in Richtung .NET liegt.

Der Einstieg in .NET markiert für Borland einen fast noch größeren Wendepunkt als damals der Umstieg von 16 auf 32 Bit: nicht nur eine weitgehend neue Technik -- sondern gar ein Lizenzvertrag mit dem einstigen Erzfeind Microsoft. An dem wird es allerdings nicht gelegen haben, dass sich Delphi 8 .NET vom Start (Weihnachten 2003) als Unglückskrähe erwies, der auch mit mehreren Nachbesserungen nicht wirklich zu helfen war. Die Situation verbesserte sich erst im Herbst 2004 mit dem heute noch aktuellen Delphi 2005.

Trotz der recht wechselhaften Geschichte und der Tatsache, dass Borland sich für die Integration von .NET 2.0 gehörig Zeit lassen will: Das Geburtstagskind ist und bleibt der einzig ernstzunehmende Gegenspieler Microsofts bei Windows-Entwicklungsumgebungen. Freuen wir uns mit Borland und Microsoft auf ein weiteres Jahrzehnt des (hoffentlich auch weiterhin edlen) Wettstreits ihrer technischen Schwergewichte. (Arne Schäpers) / (hos)