Der Greta-Effekt: Junge vernetzte Aktivisten kämpfen für eine bessere Welt

Seite 2: Das brennende Haus

Inhaltsverzeichnis

Doch wie entsteht auf der Basis von Politik-Interesse eine Vorreiterin? Was macht den Greta-Effekt aus? Sicher gehören klare Aussagen und persönliche Betroffenheit dazu: In Kattowitz 2018 und Anfang 2019 in der Schweiz erklärte Greta der Welt die Dringlichkeit der Klimakrise. "Erwachsene sagen immer wieder: Wir sind es den jungen Leuten schuldig, ihnen Hoffnung zu geben. Aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich will, dass ihr in Panik geratet", sagte sie in Davos. "Ich will, dass ihr handelt, als wenn euer Haus brennt, denn das tut es."

Zum anderen nutzt die junge Schwedin ein Werkzeug, das frühere Generationen nicht hatten: das Internet. Die 16-Jährige weiß, dass sie mit ihrem Protest in den sozialen Netzwerken Ländergrenzen spielend überspringt. Auf Twitter folgen ihr knapp 160.000 Menschen, auf Instagram mehr als 250.000.

Während ihrer freitäglichen Demo müssen die sozialen Medien ein paar Stunden ruhen. Später postet sie fleißig Eindrücke von Protesten aus aller Welt. Die Schülerin schreibt und teilt unentwegt. Über das Netz fühlt sie sich mit anderen Aktivisten verbunden. Thunbergs Twitter-Account kann man auch so lesen: Jugendliche schließen sich über die Kontinente hinweg online zusammen und streiken, von Europa bis Australien. Einen gemeinsamen Protestort braucht es dafür nicht.

Mit acht Jahren hatte die Schwedin vom Problem des Klimawandels gehört. Das Mädchen, bei dem später das Asperger-Syndrom festgestellt wurde, war schockiert. Warum kämpft die Menschheit nicht stärker ums Überleben? Als Autistin, sagt sie, sehe sie die Sache nur Schwarz-Weiß, Zwischentöne gebe es beim Überleben nicht. Und sie fragte sich, warum Kinder und Jugendliche nicht wählen dürfen, obwohl die Klimaerwärmung gerade ihre Generation voll treffen werde. Auf ihre Vorbildrolle angesprochen, zuckt Greta Thunberg, die Nachfahrin eines Chemienobelpreisträgers, mit den Schultern. Vorbilder, sagt sie, sind andere für sie. "Meistens sind das Leute, die zu mir kommen und sagen, dass sie zum Beispiel aufgehört haben, zu fliegen. Die zu Veganern geworden sind wegen des Klimas und so etwas. Das müssen keine berühmten Menschen sein."

Berühmt ist Sarah Hadj Ammar, Studentin der Biomedizin im ersten Semester, nicht. Aber aktiv: zum Beispiel seit acht Jahren bei Plant-for-the-Planet. Und seit der Gründung 2018 im Jugendrat der Generationen Stiftung, die sich als überparteiliche Interessenvertretung künftiger Generationen versteht. Die 19-Jährige aus Würzburg ist nach Berlin gekommen, um an diesem Januar-Freitag vor dem Kanzleramt zu demonstrieren: gegen die Kohle und für den Stopp der Erderwärmung.

Vor dem Plakat mit der Aufschrift "Ihr verheizt unsere Zukunft" haben die jungen Leute eine Grillschale aufgebaut. Darüber hängen sie eine menschliche Puppe. Als der Zug der Schülerdemo, die parallel läuft, anmarschiert kommt, zünden sie das Feuer an. "Wir hatten eine Menge Spaß", sagt die Studentin hinterher. Aber: "Wenn ich an unsere Zukunft denke, dann habe ich Angst."

Mit dem Jugendrat trifft sie sich alle ein, zwei Monate. "Ich genieße es sehr, dass wir nicht so gebunden sind im Jugendrat wie in einer Partei in dem, was wir machen und sagen wollen", erzählt sie. "Wir sind kreativer und können schneller reagieren."

Grundsätzlich spürt auch Sarah Hadj Ammar so etwas wie einen Aufbruch: "In den vergangenen ein bis zwei Jahren hat sich etwas verändert an der Stimmung unter jungen Leuten." Und ergänzt: "Das viele noch zu jung zum Wählen sind, heißt nicht, dass sie keine Meinungen haben und keine Hoffnungen." Sie durfte bisher ein Mal zur Wahl. Doch: "Es gibt keine Partei, die mir 100-prozentig zusagt."

Nähe, Loyalität und Bindung empfindet sie dagegen zu Altersgenossen – egal wo sie leben. Für Plant-for-the-Planet war sie zehn Wochen in Mexiko. Sie hat dort Freunde. "Ich lebe mit dem Gefühl, dass es ein globales Bewusstsein gibt und Verbindungen zu weit entfernten Menschen. Das gibt mir noch mehr Motivation."