Deutschland ist Europameister beim Patentieren

2005 haben deutsche Firmen 23.789 Schutzansprüche beim Europäischen Patentamt angemeldet, Frankreich folgt mit 8034 Anträgen. Der EU-Kommission reicht das nicht, sie will das Patentwesen weiter harmonisieren.

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Im vergangenen Jahr haben deutsche Firmen 23.789 Schutzansprüche beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet. Deutschland ist damit europäischer Patentmeister vor Frankreich mit 8034 und den Niederlanden mit etwa 7800 Patenanmeldungen. Dies geht aus einer Statistik hervor, welche die EU-Kommission im Rahmen ihrer Initiative für mehr Wachstum und Beschäftigung am heutigen Mittwoch veröffentlicht hat.

Unter den Top 10 der europäischen Unternehmen, die 2005 Anträge beim EPA eingereicht haben, sind mit Siemens (1548 Anmeldungen), Bosch (845 Anträge) und BASF (669 Ansprüche) drei deutsche Konzerne. Patentkönig unter den Firmen ist allerdings Philips aus den Niederlanden mit 4173 Anmeldungen. Weit mit vorne liegen ansonsten Matsushita, Sony und Fujitsu aus Japan, der US-Softwaregigant Microsoft sowie Samsung aus Südkorea. Insgesamt gehen 18 Prozent aller Anmelder auf die 25 größten Antragsteller zurück.

Die Kommission zeigt sich mit den Zahlen nicht zufrieden. Der europäische Innovationsbericht 2005 habe ermittelt, dass eine niedrige Rate von Patentanmeldungen für die großen Unterschiede bei der Innovationsleistung der einzelnen europäischen Mitgliedländer verantwortlich sei. Die vergleichsweise geringe Anzahl der Patentanmeldungen in vielen EU-Mitgliedsländern habe zu einem "großen Innovationsvorsprung" der USA und Japans gegenüber Europa geführt. Das vorliegende statistische Material weist nach Ansicht der EU-Behörde eine direkte Verbindung zwischen der Anzahl der angemeldeten Patente mit der weltweiten Innovationsleistung eines Landes auf. Länder, die innovative Leistungen, Produkte und Ideen hervorbringen, würden in der Regel eine hohe Anzahl von Patentanmeldungen aufweisen. Ein gut funktionierendes Patentsystem bedeute mehr Wettbewerbsfähigkeit und Innovation für die europäische Wirtschaft.

Bei der Harmonisierung des Patentwesens in der EU sieht die Kommission daher noch Nachbesserungsbedarf. Sie bedauert, dass ihre Richtlinienvorschläge für ein Gemeinschaftspatent und die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" noch "keine ausreichende Unterstützung erfahren haben, um ihre Annahme zu sichern". Die Softwarepatentdirektive hatte das EU-Parlament nach langen Lobbyschlachten im vergangenen Sommer beerdigt, während der [>http://www.heise.de/newsticker/meldung/68380 Entwurf zum Gemeinschaftspatent] bislang nicht einmal im EU-Rat eine Mehrheit fand.

Dabei würde das EU-Patent die Kosten für die Patentierung senken und die "Rechtssicherheit für europäische Unternehmen allgemein erhöhen", macht sich die Kommission weiter dafür stark. Auch um mögliche Alternativen wie das etwa von Bundesregierung und Bundesrat bevorzugte Streitregelungsabkommen EPLA (European Patent Litigation Agreement) auszuloten, habe man eine Konsultation zur künftigen Patentstrategie durchgeführt. Softwarepatentgegner warnen vor beiden Vorhaben, da diese ohne den klaren Ausschluss von Computerprogrammen von der Patentierbarkeit eine Hintertür für die rechtliche Sanktionierung der weit gehenden Vergabepraxis des EPA öffnen und so die bereits erteilten Ansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" leichter durchsetzbar wären.

Bis zum Jahresende will die Kommission darüber hinaus Empfehlungen einer "Expertengruppe" vorlegen, wie bestehende Barrieren zur Nutzung geistiger Eigentumsrechte abgebaut werden können. Zudem sollen kleine und mittlere Unternehmen stärker dazu angehalten werden, ihr geistiges Eigentum stärker zu schätzen und zu schützen. Kritiker befürchten dagegen, dass der Mittelstand aufgrund seiner beschränkten Ressourcen in einem Patentwettrüsten und möglichen Rechtsstreitigkeiten mit Konzernen immer nur verlieren kann.

In der Forscherwelt wird zudem längst bestritten, dass eine lineare Beziehung zwischen dem Ausbau gewerblicher Schutzrechte und Innovation nachweisbar ist. Wissenschaftler und Verbraucherschützer verweisen auf Wettbewerbsblockaden, die gerade mit dem zur Überhitzung neigenden Patentsystem verbunden sind, und führen als Alternative die Entstehung einer Wissensallmende über kollaborative Produktionsprozesse über das Internet ins Feld. Noch fehle es aber den Ökonomen an Maßstäben, um etwa den Wert der Erstellung von freier Software zu messen und ins erwirtschaftete Bruttosozialprodukt von Volkswirtschaften einzufügen. (Stefan Krempl) / (pmz)