Lobbyschlachten, Kampagnen und Softwarepatente

Der Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com hat auf über 300 Seiten einen detailreichen Bericht über seine Erfahrungen in der Auseinandersetzung um die EU-Softwarepatentrichtlinie abgeliefert.

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Der Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com, Florian Müller, hat auf über 300 Seiten einen detaillierten Bericht über seine Erfahrungen in der scharfen Auseinandersetzung um die EU-Softwarepatentrichtlinie abgeliefert. Mit dem Buch "Die Lobbyschlacht um Softwarepatente", das von Mai an ausgeliefert werden soll und auf einer Website in Auszügen probegelesen und vorbestellt werden kann, liefert der Aktivist aus eigener Perspektive tiefe Einblicke in die Machenschaften von Gegnern und Befürworter der letztlich vom EU-Parlament beerdigten Direktive. Dabei erfährt der Leser viel über die Entscheidungswege in der EU und die Methoden, mit denen Lobbyisten in Brüssel und in anderen europäischen Hauptstädten versuchen, die Politiker für sich zu gewinnen.

Müller stieg im Frühsommer 2004 in den Ring, anfangs für den Open-Source-Hersteller MySQL, später vertrat er auch weitere mittelständische Firmen wie 1&1 und Red Hat. Zentrale Teile des Buchs behandeln daher die Streitigkeiten um die wackelige Position des EU-Rates, den Widerstand der polnischen Regierung und die von der EU-Kommission abgelehnte Petition zum Neustart des Gesetzgebungsverfahrens sowie das Begräbnis für die Direktive über die "Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen". Der Computerbuchautor und Spieleprogrammierer schildert, wie er selbst wie die Jungfrau zum Kind in den politischen Prozess kam und gemeinsam mit seinen Mitstreitern vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) Entscheidungsträger in Büros, an Flughäfen und in Aufzügen bearbeitete. In Szene setzt der Aktivist zudem, wie sein Lager Kontakte bis in höchste Regierungskreise knüpfte, Demonstrationen organisierte sowie den personell und finanziell stärkeren Lobbyabteilungen von Microsoft, SAP, Siemens und anderen Konzernen zumindest einen Zwischensieg nach Punkten aufzwang.

Den Erfolg führt Müller auch darauf zurück, dass die FFII-Aktivisten weniger als konventionelle Lobbyisten, sondern vielmehr als direkt Betroffene auftraten. Er schreibt, dass der Verzicht auf diplomatische Umgangsformen und harsche Reaktionen auf das Spin-Doctoring manches Politikers in seiner "entwaffnenden Direktheit" vielen EU-Abgeordneten als "erfrischende Abwechslung" vorkam. Dies habe der Anti-Softwarepatentbewegung "zusätzliche Glaubwürdigkeit" verliehen. Dass er selbst die Thematik aus Unternehmenssicht weiter vorantrieb und auf seiner inzwischen vom FFII verwalteten Kampagnenseite die Probleme von Softwarepatenten darstellte, habe den Lobbyauftritt abgerundet.

Nur im Anfangskapitel führt Müller aus, dass Patente ein "Albtraum" von Programmierern sind. Er widerspricht der weit verbreiteten Auffassung, dass der vom Staat gewährte Monopolschutz per se Innovationen fördert. Vielmehr würden im Softwarebereich "grundlegende Funktionen, die so ziemlich jedes Computerprogramm benötigt, aufgrund des katastrophalen Zustands des Patentwesens exklusiv von einzelnen Firmen oder Personen beansprucht werden". Da die Patentämter Unmengen zum Teil auch trivialer Schutzansprüche gewähren würden, gebe es keine Chance mehr, ihnen aus dem Weg zu gehen oder auch nur einen Überblick über die geistigen Eigentumsrechte Dritter zu behalten.

Einen eigenen Teil widmet Müller dem immer wieder ertönenden Säbelrasseln Microsofts, mit Patenten gegen Open Source vorzugehen. Für ihn war die "beängstigende Vorstellung", dass die Redmonder starken Einfluss auf das europäische Gesetzgebungsverfahren nehmen und Softwarepatente durchdrücken könnten, mit ein Grund zur Aufnahme seiner Lobbytätigkeit. "Wissen Sie, wenn es mit Open Source sehr schlimm werden sollte, dann bringen wir unsere Patente ins Spiel", zitiert er eine "höchstrangige Führungskraft" bei Microsoft. Müller klärt ferner darüber auf, wie er mit der Veröffentlichung einer E-Mail über den vorübergehenden Stopp des Münchner LiMux-Projektes im Sommer 2004 eine "Schocktherapie" forcierte, um neben den Fachmedien auch die Publikumspresse auf die von diesen zunächst "verkannte Gefahr" von Softwarepatenten aufmerksam zu machen.

Insgesamt stilisiert das Buch die Lobbyschlacht an manchen Stellen plakativ zu einem Konflikt zwischen "unserer Gruppe von 'Freiheitskämpfern'" gegen eine Amok laufende Schar von Konzernen hoch. Als neutrale oder gar wissenschaftliche Auseinandersetzung ist der Erlebnisbericht über den "Abenteuerspielplatz Politik" nicht angelegt. Juristische Details vermeidet Müller. Nicht erspart werden dem Leser aber epische Erläuterungen etwa zu den Namensgebern einzelner Konferenzräume im EU-Parlament. Kosten soll der Band, den Müller im Eigenverlag seiner SWM Software-Marketing GmbH publizieren will, knapp 30 Euro.

Als Lehre zieht der Autor aus seinem Ausflug in den Lobbyismus, dass "politische Entscheidungen, die sich gegen das Gemeinwohl richten, kein unabwendbares Schicksal sind". Eine perfekte Demokratie gebe es nicht, doch das sei keine Ausrede dafür, sich nicht zu engagieren. In diesem Zusammenhang erinnert Müller noch einmal daran, dass am Freitag die Frist für Antworten an die Kommission zur Konsultation über die Zukunft des Patentwesens abläuft. Hier drohe eine Fortsetzung des Bands. Dringlich zur Beteiligung an der Umfrage, die eine Strategie zur Einführung von Softwarepatenten durch die Hintertür vorbereiten könnte, rufen zudem der FFII, der Verein zur Förderung Freier Software (FFS) sowie der Berufsverband Selbstständige in der Informatik (BVSI) auf.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)