Die Fotoaufgabe der Woche (2/6): Farben gezielt einsetzen

In unserer Serie gibt Autor Lars Poeck jede Woche Grundlagenwissen zur Fotografie weiter und stellt eine passende kreative Foto-Aufgabe. Dieses Mal geht es darum, sich Farben für die Bildstimmung zunutze zu machen.

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Die Fotoaufgabe der Woche (2/6): Die Wirkung von Farben

Lappland im Winter: Während viele Farben im Foto oft das Auge verwirren, unterstützt der Einsatz weniger, intensiver Farben die Bildwirkung.
ISO 500 | 50 mm | f/10 | 1/60 s

(Bild: Lars Poeck)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Lars Poeck
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Dieser Text ist ein Auszug aus Lars Poecks Buch "Kreative Foto-Aufgaben".

Farbe findest du überall. Wir neigen dazu, uns gar nicht mehr allzu sehr mit ihr zu beschäftigen. Doch hat Farbe einen entscheidenden Einfluss auf dein Foto. Sei dir der Wirkung von Farben bewusst und nutze diese für deine Fotografie.

Grundsätzlich ist Farbe immer im Zusammenspiel mit Licht zu betrachten. Sonnenlicht ist in der Regel erst einmal ein weißer Lichtstrahl. Wird dieses Licht gebrochen, dann werden die Farben des sogenannten Farbspektrums sichtbar: die Spektralfarben oder auch „Regenbogenfarben“ Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. So brechen bei einem Regenbogen die Wassertröpfchen des Regens das weiße Sonnenlicht wie kleine Prismen und zerlegen es in seine Spektralfarben. Die immer wieder unterschiedliche Zusammensetzung aus Luft- und Wassermolekülen in der Atmosphäre führt dazu, dass wir den Himmel als blau und die Wolken als weiß wahrnehmen.

Die physikalische Farbzerlegung ist überaus spannend, doch wollen wir uns im Folgenden auf die Wahrnehmung konzentrieren. So ist es wichtig für dich zu verstehen, dass Farben Gefühle wecken. Goethe hat sich bereits intensiv im Austausch mit Malern und Philosophen mit der Farbe und dem Farbenkreis beschäftigt. Aus seinem Verständnis der Farbigkeit ist die Harmonie von Farbe im Spiel zwischen Hell und Dunkel begründet.

Der Farbkreis nach Itten.

(Bild: Wikimedia Commons)

Ebenfalls sehr spannende Beiträge zum Verständnis der Farblehre hat der Schweizer Maler und Kunsterzieher Johannes Itten erkannt. Er ist der Begründer der Farbtypenlehre. So ging er davon aus, dass sich Farben in hohem Maß gegenseitig beeinflussen – ja, sogar voneinander
abhängig sind. 1961 erstellte er einen Farbkreis, in dem er die Theorie aufstellte, dass zu jeder Farbe auch eine Komplementärfarbe existiert. Dieser Farbkreis nach Itten besteht aus den Primärfarben
Rot, Gelb und Blau. Hinzu kommen die Sekundärfarben Orange, Grün und Violett sowie die Tertiärfarben Rotorange, Gelborange, Blaugrün, Blauviolett und Rotviolett (bzw. Lila).

Für deine Fotografie solltest du also über die bewusste Wahl bestimmter Farben nachdenken oder ihre Kombination ausprobieren. Denn damit kannst du immer auch bestimmte Stimmungen erzeugen. Probier zum Beispiel ein Porträtfoto im gelben Rapsfeld aus und bitte die Person, blaue Kleidung zu tragen. Spannend sind die Komplementärfarben, die im Farbkreis einander gegenüberliegen – nämlich Rot und Grün sowie Gelb und Blau.

Fotoaufgabe der Woche (2/6) (6 Bilder)

Die Komplementärfarben Grün und Rot liegen sich im Farbkreis gegenüber.
ISO 500 | 25 mm | f/4,5 | 1/640 s
(Bild: Lars Poeck)

Möglicherweise aber verzerren Farben sogar die Wirkung in deinem Foto. Dann kann die Reduktion oder das bewusste Weglassen von Farbe eine wirksame Technik sein. Dazu fällt mir ein schönes Zitat des Fotografen Steffen Böttcher ein, der ein großer Fan der Schwarz-Weiß-Fotografie ist. So schreibt er: „Wenn ich nicht zwingend von der Fotografie leben müsste, würde ich nur noch schwarz-weiß fotografieren.“ Ganz so extrem möchte ich es nicht angehen. Doch ich bin ein Freund des bewussten Einsatzes von Farben. Die drei Grundfarben sind Rot, Blau und Gelb. Rot steht beispielsweise für Aktivität, Dynamik, Gefahr, aber auch für Liebe und Wärme.

Wie wenig Inhalt verträgt dein Motiv? Welche Akzente müssen sein?
ISO 200 | 30 mm | f/8 | 1/250 s

(Bild: Lars Poeck)

Tiefe, satte Farben haben eine direkte Auswirkung auf dein Foto. Sie helfen dir, dein gewünschtes Objekt hervorzuheben. Geh aber sparsam mit der Farbpalette um, sonst wird es „zu viel“. Setzt du eine prägnante Farbe vor zum Beispiel ein neutrales Grau im Hintergrund, gibt diese dem Hauptmotiv tolle Akzente und betont zusätzlich die Form. Oft lohnt es sich, wenn du den geeigneten Hintergrund (eine Wand oder eine Haustür) gefunden hast, mit etwas Zeit und Ruhe in gutem Abstand zu verharren und deine Kamera bereitzuhalten. Wenn dann eine Person ins Foto kommt, gibt sie deinem Foto mit dem Hintergrund die optimale Note. Entscheide dich für eine Hauptfarbe, und die Wirkung deines Fotos wird entscheidend gewinnen. Durch die Perspektive und die Entfernung zum Motiv kannst du den Bildausschnitt so aufräumen, dass die optimale Wirkung für deine Farbe erzielt wird.

Nur eine Farbe im Foto zu haben ist eine echte Herausforderung. Hier fasziniert mich, dass sowohl Muster – durch das Wellblech – als auch Unterbrechung – durch die Tür – zu sehen sind.
ISO 200 | 30 mm | f/5 | 1/400 s

(Bild: Lars Poeck)

Versuche, dich in deinem Foto auf eine Farbe zu beschränken, und beobachte, wie sich die Wirkung des Fotos verändert. Kombiniere diese Herausforderung mit den weiteren Regeln für eine gute Bildgestaltung, und du hast ein gutes Rezept für ein interessantes Foto. Auf die Farbe hast du bei deinem Foto oft keinen Einfluss. Oder doch? Öfter als du denkst! Ändere den Winkel oder den Ausschnitt und schon bestimmst du die dominierenden Farben in deinem Bild. Farbe kann auch falsche Akzente setzen und den Blick vom Hauptmotiv ablenken. Wenn etwas Wichtiges im Foto farblos ist, etwas Unwichtiges aber in knalliger Farbe, dann kann es die gewünschte Balance durcheinanderbringen!

Bisher erschienen:

(msi)