Die Technik hinter 5G: So funktioniert das neue Funknetz
Seite 3: Sichtbare Effekte
In der Produktion und im Straßenverkehr wird 5G allerdings länger benötigen, um einen sichtbaren Effekt zu haben. Die bisher per Kabel angebundenen Ampeln werden Strom auch weiterhin per Kabel beziehen und sicherlich zumindest anfangs das Kabel als Backup brauchen. Auf die erste Ampel, die Grünphasen selbstständig bedarfsgerecht und energieschonend schaltet, wird man wohl noch Jahre warten – auch weil das noch keine KI perfekt beherrscht. Ähnlich weit entfernt sind noch Alarmierung zwischen den Fahrzeugen auf der Strecke (Glatteis- oder Unfallwarnung), Verkehrsflusssteuerung und autonome Autos. Ein ganz neues Geschäftsfeld peilen die Mobilfunker allerdings im Bereich der Fabrikautomation an: 5G will eine Alternative zu Industrial Ethernet sein.
Das Tamtam der Netzbetreiber richtet sich daher nur vermeintlich an die heutigen LTE-Smartphone-Surfer. Eigentlich meinen die Mobilfunker Analysten und Bänker, um Gelder für den Netzausbau zu bekommen, damit sie Firmenkunden neue Dienste verkaufen können. Denn dafür müssen die Netzbetreiber viel investieren in Glasfasernetze, Frequenzen und Infrastrukturen wie Small Cells, die mit 5G Mini-Clouds erhalten sollen -- direkt beim Kunden auf dem Firmengelände. Das ist jedenfalls der feuchte Traum der Netzbetreiber.
5G-Mobilfunkbasisstationen brauchen aber weit mehr Rechenleistung als die LTE-Stationen, um die Datenströme zu steuern. ASICs kommen da an ihre Grenze, weshalb beispielsweise Intel ein riesiges Geschäftsfeld auf sich zukommen sieht: Bis 2022 will Intel aus dem Stand heraus in mehr als 40 Prozent der Basisstationen vertreten sein. Das müssen natürlich Netzbetreiber bezahlen, bevor sie es nutzen können.
Der Umzug der Cloud
Das gilt auch für Glasfasern und die Cloud-Infrastruktur, die aus den Kernnetzen hinauswandern soll in die Hotspots und auf die Firmengelände, um dort etwa Industrieroboter zu steuern. Denn das ist neben vielen nachrichtentechnischen Verfeinerungen der eigentliche Trick, der die kurzen Latenzen ermöglicht: Die Daten wandern gar nicht erst vom Endgerät über die Basisstation und Glasfasern in die Cloud im Internet, sondern nur bis zur Basisstation, in die die Verarbeitungsintelligenz einziehen soll.
Das wird dann die Edge-Cloud (distributed virtualized core). Mit Entfernungen von oft nur wenigen Dutzend Metern können etwa für zeitkritische Steuerungen die Befehle so schnell wie erforderlich eingehen. Und die Robustheit der Datenübertragung, die im industriellen Umfeld essenziell ist, gewährleisten mehrere Basisstationen, die das gleiche Signal koordiniert mehrfach an den Empfänger senden. Zu den Vorteilen zählt, dass die Inhalte lokal und umgehend verarbeitet werden und dort auch verbleiben.
Neben industriellen Fertigungen sind Windparks, der Containertransport mittels autonomer Fahrzeuge auf Hafengeländen (Automated Guided Vehicle, AGV) und bewegliche Industrieroboter die Lieblingsbeispiele der 5G-Entwickler. In näherer Zukunft sehen sie schon rekonfigurierbare Fabriken, mobile Roboter und vernetzte bewegliche Teile in der Fertigung.
Vernetzte Bauern
In der Landwirtschaft, die eigentlich auch einen Industriezweig darstellt, warten vor allem Landmaschinenhersteller, aber auch Landwirte auf die 5G-Vernetzung. Teilautonome Mähdrescher mit Internet-Anschluss sind schon seit mehr als 10 Jahren üblich.
Für die datengetriebene Steuerung und Vernetzung von Landmaschinen braucht es aber schnelleren Mobilfunk und durchgängige Flächendeckung. Beispielsweise kann ein Mähdrescher auf dem Feld für jeden Quadratmeter erfassen, wie viel Getreide er erntet und in welcher Qualität. Mähdrescher, Traktor, LKW und Mühle sind miteinander vernetzt, sodass jedes Glied der Transportkette über Menge und Qualität der Ernte im Bilde ist und Entscheidungen treffen kann – genügt die Qualität für die Brotverarbeitung oder handelt es sich um Futterweizen? Am Ende der Ernte verfügt der Landwirt zudem über eine lückenlose Dokumentation, was für die Nachweisführung wichtig ist – manche Bio-Landwirte sagen, dass ohne solche Digitalisierung der Nahrungsmittelproduktion eine ausgedehnte Versorgung der Bevölkerung mit Bio-Lebensmitteln gar nicht möglich ist.
Die ersten 5G-Protagonisten haben ihre Feldversuche und Pilotprojekte inzwischen beendet und peilen den kommerziellen Betrieb an. In den meisten Fällen dient LTE als Plattform, die mit 5G-Funktionen ergänzt wird (Non-standalone 5G systems). Erst in der zweiten Phase, die weltweit frühestens ab 2020 beginnt, sollen dann Standalone-5G-Systeme von Grund auf neu aufgebaut werden. Und erst in dieser Phase dürfte 5G den enormen Geschwindigkeitssprung – bis zu 100-mal höhere Datenraten – gegenüber LTE schaffen. In Deutschland sammelt beispielsweise die Hamburger Port Authority erste Erfahrungen mit dem industriellen Einsatz von 5G.
Ende 2018 haben 182 Betreiber in 78 Ländern in 5G-Netze investiert. Am Anfang nutzt man 5G allerdings nicht mobil, sondern als Festnetzersatz (Fixed Wireless Access, FWA). Beispielsweise bietet Verizon mit "5G Home" mit 300 MBit/s schnellem Downlink in den USA an.