Nektarsammler mit Niedlichkeitsfaktor: Hummeln sind echte Flugtalente

Hummeln sind die gemütlichen unter den schwarz-gelb gestreiften Besuchern beim Nachmittagskaffee. Doch die unterschätzten Pummelchen haben erstaunliche Talente.

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Eine Hummel im Anflug auf eine Skimmie

Hummel im Anflug: Die Insekten können bis zu 90 Prozent ihres Körpergewichts tragen – und trotzdem noch abheben.

(Bild: Melanie Hobson/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
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Im Tierreich leisten verschiedenste Arten immer wieder Erstaunliches. Bei diesen Supertalenten denkt man wohl nicht zuerst an die Hummeln. Doch die flauschig aussehenden Pummelchen haben einiges auf dem Kasten.

"Insekten gehören zu den erfolgreichsten Lebewesen auf dem Planeten", erklärt Christoph Kurze, der an der Universität Regensburg unter anderem zu Hummeln forscht, die zur Familie der echten Bienen (Apidae) gehören. "Die Fähigkeit, zu fliegen, hat wesentlich dazu beigetragen."

Doch die Annahme, Hummeln dürften aufgrund ihrer Körperform und ihres Gewichts gar nicht fliegen können, hält sich hartnäckig. Dabei handele es sich um einen Mythos, hinter dem vermutlich Aussagen von Antoine Magnan stehen. Der Professor hatte sich 1935 mit Tier-Mechanik zur Anwendung in der Luftfahrt beschäftigt, ordnet Kurze ein. Stattdessen sind die gestreiften Brummer erstaunlich gute Fliegerinnen: Mit einer extrem hohen Flügelschlagrate von 140 bis 220 Hertz ist der energetische Aufwand für die Hummeln beim Fliegen extrem hoch. "Die metabolische Rate liegt da beim 50- bis 200-fachen des Ruhezustandes", sagt der Hummel-Forscher.

Die erstaunlichen Fähigkeiten der sympathischen Flieger zeigt auch eine Studie von Wissenschaftlern von der Berkeley-Universität (USA). Das Forschungsteam simulierte die Druckbedingungen der Luft auf 9000 Metern Höhe. "Die Männchen einer Berghummelart aus dem Himalaja konnten selbst unter diesen extremen Druckverhältnissen noch fliegen", berichtet Kurze begeistert. "Das schafft nicht einmal ein Highperformance-Helikopter."

Das Fliegen selbst ist für Hummeln allerdings ziemlich anstrengend, weiß der Biologe. Im Gegensatz zu Vögeln könnten sie sich die Thermik nicht zunutze machen. Der energetische Aufwand ist extrem hoch. Dennoch sind die Insekten echte Kraftpakete. "Sie können bis zu 90 Prozent ihres Körpergewichts tragen und trotzdem noch abheben", betont Kurze. Ist eine Hummel so schwer bepackt, wird auch das Brummen lauter, mit dem sie unterwegs ist, da sie intensiver mit den Flügeln schlagen muss.

Ein muskuläres Training wie bei Menschen ist bei Hummeln allerdings nicht bekannt, sagt Kurze – zumindest gebe es keine Datenlage, die auf einen Trainingseffekt hinweisen würde. Bei den Insekten ändert sich also im Erwachsenenalter nichts an der Körpergröße oder dem Exoskelett: Ihr Flugtalent ist von Lebensbeginn an festgelegt. Was Kurze und sein Team aber herausgefunden haben: Je nach Körpergröße können erwachsene Arbeiterinnen unterschiedlich schnell fliegen. Und auch das Alter spielt offenbar eine Rolle: "Junge Hummelarbeiterinnen fliegen nicht so weit – mit zwei Wochen flogen sie dann ein Sechsfaches weiter als noch eine Woche zuvor." Woran das liegt, kann Kurze nicht abschließend sagen. "Vielleicht können sie es nicht, aber vielleicht sind sie auch einfach noch nicht bereit."

Zum Ende der Saison kommt es ganz allein auf die Hummelköniginnen an: Wenige Tage, nachdem sie geschlüpft sind, verlassen sie das Nest. "Die Männchen müssen die Königinnen dann erst einmal über chemische Kommunikation finden, um sich zu verpaaren", erläutert Kurze. Ist das geschehen, sucht jede der jungen Königinnen allein einen Ort, an dem sie überwintern kann – meist unter der Erde.

"Arbeiterinnen werden lediglich wenige Wochen bis etwa drei Monate alt, die Männchen ein bis zwei Monate", erklärt Kurze. Die Hummelkönigin lebe jedoch gut ein Jahr. Nach der Überwinterung baut sie sich einen eigenen Staat auf. "Wenn es im März oder April wärmer wird, sieht man oft besonders große Hummeln – das sind die Königinnen, die sich ein neues Nest suchen", so der Insektenforscher. "Sie sammeln Nektar und Pollen, um die erste Brut allein aufzuziehen." Ist die erste Brut geschlüpft, übernehmen die Arbeiterinnen die Versorgung. Die Königin legt stattdessen weiter Eier.

Auf der Suche nach Nahrung legen die flauschigen Insekten erstaunliche Distanzen zurück. "Es sind 41 Hummelarten bekannt, die in Deutschland leben oder gelebt haben, weltweit sind es etwa 250", ordnet Kurze ein. "Die entscheiden sich teilweise deutlich voneinander." Fliege die dunkle Erdhummel, die in Deutschland besonders gut erforscht ist, rund einen bis drei Kilometer um das Nest herum, gebe es an der Westküste der USA eine Hummelart, die bis zu zwölf Kilometer von ihrem Nest nach Nektar sucht. "Das hängt stark von den Umweltfaktoren ab, vor allem vom Nahrungsangebot."

Trotz der großen Entfernungen finden die Hummeln wieder nach Hause. Dabei setzen sie in erster Linie auf ihre Facettenaugen. "Bei der visuellen Orientierung achten Hummeln auf den Sonnenstand, können aber auch polarisiertes Licht sehen", sagt Kurze. "Das Prinzip kennt man zum Beispiel von polarisierten Sonnenbrillen, mit denen man besser durch Spiegelungen hindurchsehen kann."

Auch der Geruchssinn spiele eine große Rolle bei der Orientierung. "Hummeln können mit ihren Fühlern oder Antennen riechen und haben spezifische Rezeptoren, mit denen sie Geruchsmoleküle sehr gut wahrnehmen", erläutert der Wissenschaftler. "Man kann sie sogar auf bestimmte Gerüche konditionieren."

Ein weiterer Wegweiser ist die Pfadintegration. Dabei kommt den Tieren ihr gutes Gedächtnis zugute. "Vereinfacht gesagt haben Hummeln im Gefühl, wie weit sie in welche Richtung geflogen sind", erklärt der Biologe. "Das Faszinierende bei der Pfadintegration ist, dass sie den direktesten Weg zurückfliegen können." Auch gebe es Hinweise darauf, dass sie eine Art Magnetkompass besitzen könnten.

Im Nest angekommen, können sie anderen Arbeiterinnen Hinweise geben, wo die Nahrungssuche besonders lukrativ ist. Dafür setzen sie Vibrationen ein, über die sie auf bestimmten Frequenzen kommunizieren können. Auch die chemische Kommunikation spiele auf Basis von Pheromonen eine große Rolle, sagt Kurze. Eine genaue Wegbeschreibung, wie Honigbienen sie mithilfe eines Schwänzeltanzes geben können, sei bei Hummeln bisher allerdings nicht bekannt.

Wer im Spätsommer oder Herbst Hummeln auf dem Gehweg finde, könne für sie meistens nicht mehr viel tun – außer sie in eine nettere Umgebung zu setzen. "Die meisten sind am Ende ihres Lebens", erklärt Kurze. Mitunter komme es aber auch vor, dass die Tiere nicht genug Nahrung fänden und verhungerten. "Wer Hummeln und anderen Insekten etwas Gutes tun möchte, pflanzt in seinem Garten nicht nur kurzgeschnittenen Rasen, sondern lässt zumindest in Teilen auch Klee wachsen oder gibt Wildblumen eine Chance." Besonders beliebt bei den Pummelchen sind laut Christoph Kurze Provence-Lavendel, Gewöhnlicher Natternkopf, Katzenminze, Storchschnabel "Spinners" und Byzantinischer Wollziehst.

(are)