Gesundheitsmesse DMEA: Lauterbach will KI in allen Bereichen

Der Bundesgesundheitsminister hat ambitionierte Pläne: Dazu gehört der umfassende Einsatz von KI, aber auch ein anspruchsvoller Datensatz für deren Training.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Lauterbach auf der DMEA 2024

(Bild: Messe Berlin GmbH)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Zum Auftakt der Digital-Health-Konferenz DMEA 2024 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) neue Pläne zur weiteren Digitalisierung des Gesundheitssektors und zur verstärkten Nutzung Künstlicher Intelligenz vorgestellt. Lauterbach unterstrich das Ziel, Deutschland mit KI an die Spitze der digitalen Medizin und Forschung führen zu wollen. "Wir implementieren das jetzt in jedes Gesetz hinein, was wir machen, um Deutschland zu einem Vorreiter in der Digitalmedizin zu machen, aber auch in der Forschung", sagte der Minister am Dienstag in Berlin.

Lauterbach sieht großes Potenzial in der Früherkennung von Krankheiten durch KI: "Mit bestimmten Blutuntersuchungen ist es jetzt schon möglich." Bis zu 25 Jahre vor Ausbruch ließe sich vorhersagen, bei wem sich wahrscheinlich eine Krankheit entwickeln wird. Dies gelte insbesondere für Demenz und Krebserkrankungen, aber auch für Herzerkrankungen und Diabetes, weshalb Lauterbach im Oktober 2023 einen Gesetzentwurf zu Blutdruck- und Cholesterinscreenings angekündigt hatte.

"Das, was man mit menschlicher Intelligenz machen kann, wird gemacht, aber es gibt Muster, die wir als Mensch nicht erkennen könnten, die KI aber erkennen kann." Lauterbach betonte, dass KI Muster erkennen könne, die für Menschen nicht ersichtlich seien. Dadurch werde eine personalisierte Medizin ermöglicht, die jedoch an "Bezahlbarkeitsgrenzen" stoße. Um diese zu überwinden, sollen administrative Prozesse digitalisiert und vereinfacht werden. Das will er erreichen, indem "aus Labordaten, aus dem Gespräch mit den Patienten, [...] zuerst zuverlässige Zusammenfassungen gebildet [werden], die zum Teil dann mehr Informationswert haben als die ursprünglichen Texte." So sollen aus Arzt-Patienten-Gesprächen strukturierte Datensätze gewonnen werden.

Große Tech-Unternehmen aus den USA arbeiten bereits an der Umsetzung. Auf der vergangenen DMEA hatte Lauterbach dazu angekündigt, mit Epic Systems – einem der größten US-amerikanischen Unternehmen für Gesundheitssoftware – im Gespräch zu sein. Erst im Herbst 2023 hatte der Gesundheitsminister jedoch Dragon Medical One zur Transkription als "wichtigste Software für medizinische Sprachverarbeitung" bezeichnet.

Als weiteres Beispiel nannte Lauterbach die Bedeutung der KI für die biomedizinische Forschung, speziell in der Proteomik, wo Programme wie Alphafold tiefgreifende Einblicke in die Proteinfaltung böten, die weit über das menschliche Verständnis hinausgingen. Durch das Rückwärtslernen aus diesen KI-Prognosen könnten Wissenschaftler neue Wege in der Medikamentenentwicklung und im Verständnis biochemischer Prozesse erkunden, so der Gesundheitsminister.

Lauterbach erklärte sein großes Vertrauen mit einem Vergleich zur Quantenphysik, bei der man sich in genau der gleichen Situation befinde. Sie beschreibe beobachtete Muster in der Natur und könne Ergebnisse mit enormer Genauigkeit vorhersagen. Aber “wir sind nicht wirklich intelligent genug, um zu verstehen, warum es funktioniert". Ähnlich verhalte es sich mit KI-Datenanalysen. Deshalb vertraue er etwa den Hinweisen von KI-Analysen, die vorhersagen, dass Gewichtsreduktion und ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel Alzheimer vorbeugen.

Mit der geänderten Digitalstrategie habe man bereits Grundlagen für Verbesserungen geschaffen. Diese seien kürzlich mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz auf den Weg gebracht worden. "Das sind die beiden Säulen", so Lauterbach, mit denen man auf der eine Seite die elektronische Patientenakte (ePA) und auf der anderen Seite die Forschungsdatensätze aufbauen wolle.

Dabei sei geplant, die Daten aus der ePA, medizinischen Registern und weiteren Quellen pseudonymisiert zu einem Datensatz zusammenführen, um KI-Studien durchzuführen. Der Datensatz soll dann "mit dem Verfahren des Confidential Computing" untersucht werden. Ziel sei ein Datensatz, "der in dieser Größe und auch in diesem Anspruch [der] wahrscheinlich weltweit größte Medizindatensatz sein könnte", hofft Lauterbach.

Hinzu kommt laut Lauterbach das Medizinforschungsgesetz, welches sicherstellen soll, dass auch die pharmazeutische Industrie auf den Datensatz zugreifen und Medizinprodukte herstellen kann. Dabei sei geplant, die Daten so zu schützen, wie noch nie zuvor. Einmal mehr bekräftigte Lauterbach, dass er die lahmenden Digitalisierungsprozesse in Deutschland beschleunigen will, indem die Gematik als Digitalagentur mit deutlich erweiterten Zugriffsmöglichkeiten ausgestattet wird.

Beim Datenschutz sei man mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und IT-Sicherheit (BfDI) und dem Bundesamt für Sicherheit (BSI) in der Informationstechnik zu einem "neuen Gleichgewicht" zwischen Datennutzbarkeit und Datenschutz gekommen. Damit spielt Lauterbach auf die Änderung im Digitalgesetz an, das BfDI und BSI die früheren Vetorechte entzieht. Zu weiteren Erfolgen zählte Lauterbach die Abschaffung der Quartalspauschalen für mehr Telemedizin, da die Ärzte ihre Leistungen dann nicht mehr vierteljährlich abrechnen müssen. Außerdem werde ein Versorgungs- und Stärkungsgesetz geschaffen.

Zu den Vorhaben von Lauterbach kamen allerdings auch Fragen, die im Vorfeld der Veranstaltung eingereicht wurden. So wollte beispielsweise die Krankenhausgesellschaft wissen, wann die Krankenhäuser etwas vom im Koalitionsvertrag versprochenen Bürokratieabbau merken. Bisher seien unter anderem mit der verpflichtenden Anbindung an die Demis-Schnittstelle allerdings noch mehr Verpflichtungen auf die Krankenhäuser zugekommen, Daten zu erheben und zu melden. Lauterbach erwiderte daraufhin, dass dazu bereits zahlreiche Maßnahmen beschlossen wurden.

Auf eine weitere Frage von der Medizininformatikerin Sylvia Thun, wie Telemedizin gefördert und erweitert werden soll, sagte Lauterbach, dass Telemedizin schon in verschiedene Gesetze eingewoben ist. "Telemedizin wird in den Apotheken stattfinden können", versprach Lauterbach.

(mack)