Digital Services Act: Deutsches Machtgerangel statt Durchsetzung

Die Bundesregierung kann sich nicht einigen, welche Behörden wie bei der Umsetzung des DSA beteiligt werden sollen. Das führt zu Kritik und Unsicherheit.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen

(Bild: StudioProX/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wer soll die EU-Regeln des Digital Service Act (DSA) in Deutschland durchsetzen? Am 17. Februar 2024 müssten die Behörden der Bundesrepublik eigentlich startklar sein. Doch das wird kaum etwas werden. Denn das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), mit dem Deutschlands Aufsichtsregime organisiert werden soll, hängt vor der Kabinettssitzung weiterhin in der Luft. Kernstreitpunkt: Die zuständigen Behörden – und wer wie mitbeaufsichtigen darf.

Fest steht bereits, dass bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) in Bonn eine unabhängige Stelle geschaffen werden soll, die als "Digitale-Dienste-Koordinator" die deutschen Verfahren und Akteure koordiniert. Zudem soll ein deutscher Vertreter im sogenannten Ausschuss der DSA-Aufsichtsbehörden auf europäischer Ebene sitzen. Dieses Gremium ist für das Funktionieren des DSA-Aufsichts-Systems wichtig: Es ist etwa nötig, um Geldbußen zu verhängen und Zwangsmaßnahmen zu beschließen.

Zwei Ministerien blockieren derzeit den Fortschritt. "Es ist nur noch eine politische Machtfrage", sagte Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen (LfM) am Dienstagabend bei einer Veranstaltung in Berlin. Das grün geführte Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter Lisa Paus und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) unter Marco Buschmann (FDP) stellen sich bislang quer.

Das BMFSFJ will eine herausgehobene Stellung für die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz (BzKJ), die einstige "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften" im Bereich des Jugendschutzes erreichen. Und das BMJ will, dass das Bundesamt für Justiz, das bislang für die Anwendung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) zuständig war, ebenfalls im Gesetzestext berücksichtigt wird.

Beides sind den Ministerien nachgeordnete Behörden – sprich: hier könnten Minister per Weisungsrecht Einfluss nehmen. Das aber verbietet der DSA ausdrücklich. Darin ist als Anforderung in Artikel 49 und 50 definiert, dass alle speziell benannten Behörden, die eine DSA-Zuständigkeit in einem Mitgliedsland bekommen, unabhängig von jeder Weisung und frei von Einflussnahme arbeiten können. Ein Kriterium, das weder BfJ noch BzKJ bislang erfüllen, betont Schmid.

Dazu komme noch ein zweiter Punkt, sagt Schmid weiter: In Deutschland ist Medienregulierung per Grundgesetz Aufgabe der Bundesländer – und erfordere nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch eine staatsferne Organisation. Die Präsidenten der Landesmedienanstalten etwa werden aus den Parlamenten ernannt, die Anstalten sind ansonsten in ihrer Arbeit unabhängig und weisungsfrei. Allerdings hatten Rechtswissenschaftler formale Bedenken geäußert, dass Landesbehörden per Bundesgesetz eine Funktion zugewiesen werde – dies widerspreche dem deutschen Mischverwaltungsverbot.

Der DSA regelt zwar nicht nur, aber eben auch Medieninhalte. Und die Landesanstalten für Medien versuchen derzeit zu demonstrieren, dass sie die dafür kompetentesten Akteure sind. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel hatte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton Elon Musk, Mark Zuckerberg und Unternehmenschefs in die Pflicht genommen. Zugleich wurden die Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten um die Benennung konkreter Fälle gebeten. Die deutschen Landesmedienanstalten kamen dem nach: 510 der insgesamt bei der Kommission eingegangenen 578 potenziellen Rechtsverstöße seien aus Deutschland gemeldet worden, erklärte Schmid.

Wer eigentlich gerne längst wirklich mit der Vorbereitung loslegen würde, ist Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur. Bereits jetzt ist die BNetzA in einem informellen Gremium der designierten Digitale-Dienste-Koordinatoren eingebunden – allerdings ohne klare gesetzliche Grundlage im eigenen Land.

"Für jeden, der ohne gesetzliche Grundlage handeln soll, ist es ein Ritt auf der Rasierklinge", warnt Müller. Er vertraue darauf, dass bald eine europarechtskonforme Lösung durch den Gesetzgeber gefunden werde: Sein Vertrauen in den Deutschen Bundestag sei "an dieser Stelle grenzenlos". Allerdings müsste zuvor das Kabinett dafür endlich den Entwurf beschließen.

Ungeduldig zeigte sich am Dienstagabend auch die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne), und betonte, es gehe um eine verfassungskonforme Ausgestaltung. Der DSA sei ein "ganz großes Paket und jetzt müssen die, die jetzt schon Aufsicht haben, in eine sinnvolle Struktur eingebettet werden." Die Länder seien für den Jugendmedienschutz zuständig, diese jetzt nicht zu benennen sei falsch. Es komme auch nicht darauf an, möglichst viele Behörden einzubeziehen, sondern ein effektives Aufsichtsregime zu ermöglichen und dabei das Grundgesetz zu beachten.

Noch am Montag hatte das federführende Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) seine Zuversicht geäußert, dass es innerhalb der Bundesregierung bald zu einer Einigung komme. "Wir prüfen aktuell auch entsprechende Beschleunigungsmaßnahmen für die Gesetzgebung", sagte ein Ministeriumssprecher. Auf der Tagesordnung für das Kabinett am Mittwoch ist das DDG aber weiterhin nicht.

(vbr)