Digitalgipfel: Datenschutz und Datennutzung "neu justieren"

Deutschlands Wirtschaft steckt in Schwierigkeiten. Beim Digitalgipfel der Bundesregierung in Frankfurt flĂĽchten sich die Verantwortlichen in Zukunftsoptimismus.

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Die Minister Robert Habeck und Volker Wissing mit Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst zur Eröffnung des Digitalgipfels am Montag.

(Bild: Sebastian Woithe / BMDV)

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Deutschland stehe bei der Digitalisierung besser da, als allgemein angenommen. Aber es sei noch viel Luft nach oben – und das insbesondere mit Datenwirtschaft und Künstlicher Intelligenz. Es ist diese Botschaft, die Digitalminister Volker Wissing (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum ersten Tag des Digitalgipfels der Bundesregierung mit nach Frankfurt gebracht haben.

Dass die Abhängigkeit von anderen Staaten zu groß ist, räumt auch Olaf Scholz ein. Noch aber sei es für mehr Souveränität nicht zu spät: "Wir haben die Chance dazu, sie uns zu sichern. Aber das ist eine große Herausforderung für uns." Jetzt aber sei es Zeit für ein Jahrzehnt des Fortschritts und der Digitalisierung.

Dabei sei er bereit, auch über bestehende Regeln zu sprechen, betonte der Bundeskanzler und forderte die Wirtschaft auf, konkrete Bedürfnisse zu artikulieren: "Das einzige, was nicht hilft, ist abstraktes Gerede." Möglichkeiten zur Nachsteuerung sieht der Kanzler etwa bei der Nutzung von Daten. Das Verhältnis von Datenschutz und Datennutzung werde man "neu justieren müssen", meinte Scholz.

Auch Habeck und Wissing stoßen am Montag in dieses Horn. Doch wie genau das aussehen soll, bleibt die Bundesregierung auf dem Gipfel schuldig – absehbar und angekündigt ist derzeit nur ein Forschungsdatengesetz, das eine erweiterte Nutzung auch personenbezogener Daten ermöglichen soll.

Deutschland sei nicht der "Nabel der Welt", warnte Vizekanzler Robert Habeck mit Blick auf KI. "Das ist in keinem Bereich mehr so." Doch "der Zug ist noch nicht abgefahren", ergänzte Digitalminister Volker Wissing. In Deutschland und Europa entstünden im Bereich der KI vielversprechende Projekte.

Laut einer zum Gipfel veröffentlichten Umfrage des Bitkom-Verbands sehen Unternehmen, die sich mit KI beschäftigen und diese bereits einsetzen, mehr Chancen und weniger Probleme als jene, die noch weit von einer Nutzung weg sind. Diese Chancen auch zu nutzen, insbesondere mit vertrauenswürdiger KI, sei jetzt wichtig, meint Wissing.

Klar ist hingegen bereits, dass die Bundesnetzagentur die federführende Aufsicht für den AI Act in Deutschland ausüben soll. Die Bundesnetzagentur ist bereits heute in Teilen Marktüberwachungsbehörde, also zuständig für die Einhaltung von Produktvorschriften, vor allem bei funkenden Geräten. Bei KI soll sie nun zusammen mit anderen Stellen dafür sorgen, dass die neuen EU-Vorschriften eingehalten werden.

Doch unklar ist noch, mit welchen Kompetenzen die Regulierungsbehörde ausgestattet werden soll. Das gilt auch für die Rolle der Bundesnetzagentur als Koordinator des Digital Services Acts. Was auch hier noch fehlt: Stellen. In den Haushaltsverhandlungen im Bundestag wird derzeit darüber gerungen, wie die notwendigen Zusatzstellen trotz Einsparhaushalt geschaffen werden können. Der DSA regelt klar, wie die Aufsichtsstelle ausgestattet sein muss. Macht Deutschland hier zu wenig, könnte ein EU-Vertragsverletzungsverfahren drohen.

Über den DSA wird in Frankfurt ebenfalls diskutiert – nach der lauten Kritik am DSA und den sogenannten "Trusted Flagger" zeigen sich Teilnehmer des Gipfels irritiert über die Debatte. Die parlamentarische Staatssekretärin im BMDV Daniela Kluckert verweist darauf, dass der DSA die Moderation illegaler Inhalte erfordere, und nicht "Hass und Hetze" allgemein reguliere. Lutz Mache von Google legt dar, dass Trusted Flagger bereits vor 10 Jahren bei YouTube eingeführt worden seien – und das Konzept bewährt sei.

Doch auch jenseits dessen gibt es zum DSA diverse diskussionswĂĽrdige Punkte. So berichtet Prabhat Agarwal von der EU-Kommission ĂĽber Ideen in einzelnen Mitgliedstaaten, ĂĽber den DSA hinaus weitere Regulierung zu schaffen. Der DSA solle aber eigentlich abschlieĂźend die Anforderungen an Anbieter in der EU regeln, damit im gemeinsamen Binnenmarkt ĂĽberall die gleichen Regeln gelten.

"Das Transparenzversprechen hat sich bislang nur hinter verschlossenen Türen bewahrheitet", kritisiert Josephine Ballon von "HateAid". Dabei sei es wichtig, dass sowohl Forscher als auch die Zivilgesellschaft mehr über die realen Praktiken der Plattformen wissen. Sonst sei die Rolle für Organisationen wie HateAid eingeschränkt, hier bestehe dringender Nachbesserungsbedarf.

Ob Deutschland nach der nächsten Wahl nicht doch endlich ein Digitalministerium brauche? Kanzlerkandidaten-Aspirant Habeck hält das für schwierig, zu divers seien die Aufgaben der unterschiedlichen Ministerien in der Digitalisierung. Wissing betont, er sei ja bereits Digitalminister und das Haus sei in dieser Legislaturperiode gut vorangekommen. Dass man den Digitalteil auch ausgründen könne, wollte Wissing zumindest nicht ausschließen.

(vbr)