Digitalgrundgesetz: EU-Abgeordnete für Identifizierungspflicht bei Porno-Uploads

Der Binnenmarktausschuss im EU-Parlament hat einen Kompromiss zum Digital Services Act beschlossen. Provider müssen demnach mehr gegen illegale Inhalte tun.

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(Bild: Botond Horvath/Shutterstock.com)

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Behörden jeglicher Art sollen Host-Providern ohne Richtervorbehalt künftig grenzüberschreitende Anordnungen schicken können, um gegen illegale Inhalte wie strafbare radikale Hasskommentare, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauch und die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke vorzugehen. Betroffene Plattformen sollen solche Angebote zeitnah sperren oder blockieren, bei schweren Straftaten zudem an die Polizei melden müssen.

Dafür hat sich der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) im EU-Parlament am Montagabend mit großer Mehrheit mit seiner jetzt stehenden Position zum geplanten Digital Services Act (DSA) ausgesprochen. Die Mitglieder nahmen dabei zu großen Teilen die von Berichterstatterin Christel Schaldemose (Sozialdemokraten) geschmiedeten Kompromissanträge an. Das Parlament wird voraussichtlich im Januar im Plenum darüber abstimmen, ob es der IMCO-Empfehlung folgt. Schon heute Abend wird es zudem seinen Kurs beim parallelen Digital Markets Act (DMA) festzurren.

In einem grenzüberschreitenden Kontext soll dem Ausschuss zufolge mit dem DSA die Wirkung einer Anweisung gegen illegale Inhalte in der Regel auf das Hoheitsgebiet des anordnenden EU-Lands beschränkt sein. Die Abgeordneten wollen sicherstellen, dass Nutzern und den betroffenen Firmen "wirksame Rechtsbehelfe" zur Verfügung stehen. Diese müssten gegebenenfalls die Wiederherstellung von Inhalten einschließen, die fälschlicherweise als rechtswidrig angesehen und entfernt wurden.

Eine Mehrheit mit 25 zu 15 Stimmen bei 4 Enthaltungen fand auch ein bis zuletzt umstrittener Änderungsantrag zu Pornos. Nutzer sollen damit Bilder, Videos oder Texte auf Erotik-Portalen wie Pornhub und xHamster erst hochladen dürfen, wenn sei beim Betreiber eine E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer hinterlegt haben. Vorgesehen ist zudem ein einfacher Meldemechanismus für "Rachepornos". Gegner wie Patrick Breyer von der Piratenpartei monieren, dass eine solche Identifizierungspflicht und die damit erstellten Porno-Uploader-Datenbanken Missbrauch provozieren.

"Wir streiten sonst für Anonymität im Netz", betonte die DSA-Verhandlungsführerin der Grünen, Alexandra Geese, die den Antrag mit eingebracht hatte. Hier gehe es aber um Bilder von Ex-Partnern sowie aus Festival-Toiletten oder Airbnb-Zimmern und "sexuelle Gewalt". Betroffen von damit unter anderem verknüpften Erpressungen seien hunderttausende Frauen, die daraufhin etwa mit Suizidgedanken zu kämpfen hätten. Hier müsse man daher gucken, "wer die Täter und die Opfer sind".

Kernelemente des Entwurfs für das "Plattform-Grundgesetz" sind neben Maßnahmen zur Entfernung von Inhalten ("Notice and Action") aktualisierte Vorschriften über die Haftung für Vermittlungsdienste, den elektronischen Geschäftsverkehr und gezielte Werbung. Eine fraktionsübergreifenden Koalition drängte hier auf ein Verbot von Tracking durch Online-Anzeigen. "Spionierende Werbung" mit Microtargeting sollte nicht mehr zugelassen werden. So weit geht der Kompromiss nun nicht: Personenbezogene Reklame und das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen sollen erlaubt bleiben, aber transparenter werden.

Plattformen müssen demnach sicherstellen, dass Nutzer "problemlos" eine informierte Einwilligung im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für gezielte Werbung geben können. Sie sollen darüber aufklären, wie die persönlichen Informationen monetarisiert werden. Ein Nein darf dabei für den Empfänger "nicht schwieriger oder zeitaufwändiger" sein als ein Opt-in. Die Volksvertreter wollen so etwa "Do not Track"-Einstellungen im Browser gesetzlich verankern, um das nervige Aufploppen von Einwilligungsbannern zu reduzieren. Direktmarketing, Profiling und verhaltensorientierte Werbung bei Minderjährigen sollen zudem untersagt sein.

Der Kompromiss enthält – genauso wie die Linie der Mitgliedsstaaten – eine Klausel gegen Design-Tricks wie "Dark Patterns". Plattformbetreiber dürfen demnach die Struktur oder Funktionsweise ihrer Online-Schnittstelle oder eines Teils davon nicht dazu verwenden, um eine freie Entscheidung oder Wahl der Nutzer zu verhindern. Laut dem zugehörigen Erwägungsgrund können Anbieter aber weiter direkt mit Usern interagieren, um ihnen Dienste anzubieten. Dies schließt eine erneute Ansprache nach einer angemessenen Frist ein, wenn ein Nutzer etwa "seine Einwilligung für bestimmte Datenverarbeitungszwecke verweigert hat". Dies widerspricht der "Do not Track"-Klausel.

Entdeckt eine sehr große Plattform mit über 45 Millionen Usern Deep Fakes, also manipulierte Bild-, Audio- oder Videoinhalte zum täuschend echten Nachahmen einer Person, muss sie diese entsprechend kennzeichnen. Solche Netzwerke sollen auch ein alternatives Empfehlungssystem etwa für Newsfeeds anbieten, das nicht auf Profiling basiert.

Mega-Plattformen müssen dem Beschluss nach zudem eine Risikobewertung für sich selbst vornehmen über die allgemeine Verbreitung von Inhalten, wenn sie die Demokratie, den öffentlichen Diskurs oder den Jugendschutz gefährden. Online-Marktplätze sollen die Verbreitung rechtswidriger Produkte oder Dienstleistungen durch Gewerbetreibende, die ihren Dienst nutzen, bestmöglich erkennen und mithilfe einer Datenbank verhindern.

Enthalten ist auch ein Recht auf durchgehende Verschlüsselung. "Die Mitgliedstaaten dürfen Anbieter von Vermittlungsdiensten nicht daran hindern, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste anzubieten", fordern die Volksvertreter. Dies sei für das Vertrauen ins Netz und die Cybersicherheit unerlässlich. Die EU-Länder sollen Diensten wie Facebook, WhatsApp, Signal & Co. ferner keine "allgemeine Pflicht auferlegen, die anonyme Nutzung ihrer Dienste einzuschränken".

Deutsche IMCO-Mitglieder wie Geese, Evelyne Gebhardt (SPD) und Martin Schirdewan (Die Linke) bedauerten, dass sie trotz eines langen Kampfs gegen die Konservativen und Liberalen kein generelles Verbot zielgerichteter Werbung durchsetzen konnten. Persönliche Daten wie die sexuelle und politische Orientierung dürften kein Motor für ein "Big-Tech-Werbemodell" sein, unterstrich Schirdewan. Auch sonst enthalte der DSA viele Schwachpunkte. So falle der Schutz von Geschäftsgeheimnissen recht stark aus, obwohl Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen davor gewarnt habe. Gebhardt freute sich, dass WhatsApp sie künftig nicht mehr ständig fragen dürfe, ob sie nicht endlich den neuen Geschäftsbedingungen zustimmen wolle.

(mho)