Photokina

Digitalkameras: Hoffnungsträger Selfie

Die Handy-Selbstportraits gelten für viele als Untergang der Fotokultur. Doch die Hersteller auf der Photokina sehen sie als Chance auf einen neuen Markt.

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Von
  • Torsten Kleinz
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"Das Selfie ist zur Zeit das absolute Modewort", sagt Mark Thakara, Produktmanager bei Olympus, auf der Photokina. Denn nicht nur seit der gesponserten Selfie-Aktion während der Oscar-Verleihung sind Selfies in allen Medien – das Phänomen gilt als Symbol für das veränderte Kommunikationsverhalten jüngerer Menschen. Und diese Zielgruppe ist wie geschaffen für die Fotobranche, die nach Abklingen des Digitalkamera-Booms und der zunehmenden Konkurrenz durch Smartphones nun mit Absatzproblemen kämpft. Der Umsatz für Kameras sank hierzulande von 1,734 Milliarden Euro im Jahre 2012 in diesem Jahr auf voraussichtlich 1,45 Miliarden Euro.

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Neue Absatzmärkte werden daher dringend gesucht. Fast jeder Hersteller hat inzwischen Modelle mit Selfie-Funktion im Repertoire. Nikon präsentiert auf der Photokina stolz seine neue Coolpix S6900 als "Selfie-Kamera" mit drehbarem Bildschirm, Gestensteuerung und Anbindung an das Handy der Nutzer. "Wir greifen den Trend nicht nur auf, wir evolutionieren ihn", sagt Nikon-Sprecher Markus Hillebrand gegenüber heise foto.

So hat der Hersteller in die Kamera ein Mini-Ständer integriert, der Selfies ermöglicht, ohne dass der Arm des Fotografierenden im Bild ist. "Freefie" nennt das die Nikon-PR etwas gestelzt. Mit einem Kaufpreis von 250 Euro richtet sie sich vor allem an Hobbyfotografen.

Olympus Pen E-PL7 in Bildern (5 Bilder)

Naja, ganz ohne Pink geht es dann doch nicht: Mit der Pen E-PL7 wendet sich Olympus zielgerichtet an Frauen. Als Testimonial zitiert Olympus in der Mittteilung zur Kamera die Mode-Bloggerin Laetitia Wajnapel. (Bild: Olympus)

Auch am Olympus-Stand nebenan gibt es eine neue Selfie-Kamera zu bestaunen. Die Pen E-PL7 aktiviert den Selfie-Modus automatisch, wenn man das Display um 180 Grad nach vorne dreht. Mit 400 Euro ist sie aber deutlich teurer als die Nikon-Kamera, als reine Schnappschuss-Kamera schon fast zu teuer. Zielgruppe sind zum Beispiel Modeblogger, die schnell ein Foto ihres Outfits machen wollen.

Nikon und Olympus machen kein Geheimnis daraus, wer die Kameras kaufen soll: Eine "weibliche, jüngere Zielgruppe" heißt es bei beiden Herstellern unisono. "Wir haben in verschiedenen Ländern festgestellt, dass Frauen wesentlich mehr daran interessiert sind Informationen zu teilen", erklärt der Olympus-Manager Mark Thakara im Gespräch mit heise Foto.

Samsung NX mini (4 Bilder)

(Bild: Samsung)

"Bisher werden 90 Prozent der Kameras mit Wechselmotiven von Männern gekauft", erklärt Thakara. Die Fotohersteller hätten mit ihrer technikzentrierten Produktpräsentation bisher schlichtweg die Hälfte der potenziellen Kundschaft ignoriert. Dies wolle man nun ändern. Dies geschieht mal mehr, mal weniger subtil. So ist die Selfie-Kamera von Samsung, die NX Mini, auf der Photokina in babypink ausgestellt.

Selfie-Funktionen bereichern inzwischen auch andere Segmente. Auch Profis schätzen es, wenn das Kamera-Display möglichst beweglich ist – so können sie zielgenau fotografieren, auch wenn die Perspektive keinen Blick durch einen optischen Sucher erlauben würde. Algorithmen zur Identifizierung des idealen Auslösezeitpunkts werden auch in die High-End-Kameras wie die Samsung NX1 integriert. Auch die Fernbedienung per Smartphone und eine Onlineanbindung hält bei den Profi-Kameras immer mehr Einzug.

Samsung NX1 in Bildern (11 Bilder)

Samsung NX1

(Bild: Samsung)

Doch gerade die Konkurrenz durch das Smartphone zeigt hier, dass die Kamerahersteller im letzten Punkt noch hinterherhinken. Zwar gibt es Hybridgeräte wie die neue Lumix Smart Camera von Panasonic. Die meisten Hersteller setzen bei der Onlineanbindung noch auf eine sperrige WLAN-Lösung: Die Kamera baut einen WLAN-Accesspoint auf, auf dem sich Fotograf per Smartphone einloggen muss. Will er seine Bilder dann online stellen, muss er wieder in ein normales WLAN-Netz wechseln. Smartphone-Bilder wären in dieser Zeit schon längst auf dem Weg ins Netz.

Dass es auch anders geht, zeigt Canon mit seiner neuen Powershot-Reihe. Statt sich nur per Smartphone mit der Außenwelt zu unterhalten, kann sie sich die Powershot G7 X auch direkt ohne Smartphone-Hilfe in WLAN-Netzwerke einwählen. Noch sind die Online-Funktionen allerdings beschränkt. Die Kamera kann die Bilder vorerst nur auf Canons eigene Cloud-Lösung Irista überspielen. Ab Ende des Jahres sollen dann weitere Dienste wie Twitter hinzu kommen. (keh)