Distanz halten gegen COVID-19: Am besten funktionieren (theoretisch) Blasen
Völlig ohne Kontakt können Menschen auch in einer Pandemie kaum bleiben. Forscher haben mögliche Strategien für effektive Teil-Beschränkungen simuliert.
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Die Bubble ist doch am besten.
(Bild: Photo by Matheus Ferrero on Unsplash)
- Charlotte Jee
Die Isolation zusammen mit Gruppen aus Freunden, Nachbarn oder anderen Familien war für viele Menschen während der Corona-Sperren eine Möglichkeit, nicht ganz allein zu bleiben und trotzdem die Verbreitung von COVID-19 zu vermeiden.
Solche Gruppen werden auch als Blasen bezeichnet. Und neue Computer-Simulationen, von denen jetzt in Nature berichtet wird, sprechen für ihre Wirksamkeit.
Fragen der öffentlichen Gesundheit
Länder weltweit lockern ihre Corona-Einschränkungen oder bereiten solche Schritte vor. Also werden Möglichkeiten gebraucht, wie wir mit anderen Menschen zusammentreffen können, ohne erneute Spitzen bei COVID-19-Infektionen zu verursachen. Fragen der öffentlichen Gesundheit müssen gegen das soziale, psychologische und wirtschaftliche Bedürfnis nach Interaktionen abgewogen werden.
Der Weg dazu ist aber noch nicht klar. Medizinische Experten empfehlen Maßnahmen wie zuhause bleiben, möglichst keinen Kontakt zu Personen außerhalb des eigenen Haushalts und zwei Meter Abstand bei allen anderen Interaktionen. Doch es gibt noch relativ wenig Forschung zur Wirksamkeit sozialer Distanzierung. Bisherige Studien beschäftigen sich vor allem mit den Folgen von allgemeinen Einschränkungen wie Reise-Verboten, Absagen öffentlicher Veranstaltungen oder Schließen von Schulen. Um konkrete Kontakte auf der Ebene einzelner Personen geht es darin nur selten.
Wen man treffen kann
Ein Team um den Soziologen Per Block an der University of Oxford und am britischen Leverhulme Centre for Demographic Science hat drei unterschiedliche Strategien für Social Distancing simuliert. Mit jeder davon war es möglich, gesellschaftliche Kontakte zu erweitern und dabei die Verbreitung von COVID-19 begrenzt zu halten. Dazu müssen nur bestimmte Regeln beachtet werden.
Die erste Strategie ist, nur Kontakt zu Menschen zu pflegen, mit denen Gemeinsamkeiten bestehen, etwa aus demselben Viertel oder derselben Altersgruppe. Eine Gruppierung von Beschäftigten nach diesem Muster könnte laut den Forschern das Risiko von breiten Übertragungen in Unternehmen verringern, wenn sie wieder eröffnen. Bei der zweiten Strategie hält man sich an Gruppen, zwischen denen ohnehin starke Bindungen bestehen, also solche mit wechselseitigen Freundschaften.
Blasen sind am besten
Die dritte simulierte Strategie war das Bilden von Blasen, bei denen eine Gruppe ihren sozialen Kreis selbst wählt – und dann alle Mitglieder darin bleiben. Alle drei Strategien erwiesen sich als effektiver zur Einschränkung von Infektionen als allgemeine soziale Distanzierung, bei der man weniger andere Personen trifft, es aber dennoch gelegentlich externe Kontakte gibt. Laut der Simulation funktionieren Blasen insgesamt am besten: Sie verzögern die höchste Infektionsrate um 37 Prozent und verringern ihre Höhe um 60 Prozent, was letztlich 30 Prozent weniger Infektionen bedeutet. Am zweiteffektivsten war die zweite Strategie, also das Beschränken von Kontakten auf Gruppen mit einer Gemeinsamkeit.
Nach der Erklärung der Forscher funktionieren Blasen gut, weil sie auf einer bewussten Entscheidung darüber beruhen, mit wem man interagieren möchte und mit wem nicht. Weniger bewusste gesellschaftliche oder geografische Bindungen dagegen dürften leichter durchbrochen werden.
Bedeutung für die Praxis
Simulationen sind nicht die Realität. So haben die Forscher nur relativ kleine Netzwerke aus 500 bis 4.000 Personen simuliert. Dabei spielte die Größe allerdings keine signifikante Rolle für die Effektivität der Strategien, was dafür spricht, dass die Ergebnisse auch für sehr viel größere Populationen gelten. Hinzu kommt die Frage der öffentlichen Botschaften: Soziale Distanzierung funktioniert dann am besten, wenn die Anweisungen dafür so einfach wie möglich sind. Komplizierte Regeln zur Gruppen-Findung könnten im echten Leben deshalb Probleme bereiten. (sma)