Drei Fragen und Antworten: Google schießt JPEG XL ab – und das völlig zu unrecht

Mit dem Entfernen von JPEG XL aus Chromium zieht Google massive Kritik auf sich. Wir klären im Interview, was an den Begründungen des Konzerns dran ist.

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Nachdem JPEG XL in Chromium eine Weile experimentellen Charakter hatte, hat Google nun diesen Status beendet – indem es das mit vielen Hoffnungen behaftete Bildformat entfernen wird. Das Vorgehen stieß auf Unverständnis quer durch die gesamte Tech-Branche, von Nutzern über Entwickler bis hin zu großen Konzernen. Wir sprechen mit Jon Sneyers, unter anderem Initiator des Free Lossless Image Format (FLIF) und Senior Image Researcher bei Cloudinary, über die Hintergründe der Entscheidung und die Zukunft von JPEG XL.

Sprechen wir direkt den Elefanten im Raum an: WebP. Google hat sein eigenes Format nun schon eine Weile forciert – das Web-fokusiert ist und von Video-Formaten abstammt. Beides trifft für JPEG XL nicht zu, aber inwiefern hat Google dennoch einen Konkurrenten aus dem Weg geschafft?

Sowohl WebP als auch AVIF stammen von Video-Formaten ab und sind Web-fokusierte Bildformate, die das Google-Chrome-Codec-Team vorantreibt. Ironischerweise ist ein anderes Google-Team (Teil von Google Research in Zürich) an JPEG XL beteiligt. Es ist organisatorisch jedoch weit von Chrome entfernt.

JPEG XL ist kein Konkurrent der Video-Codecs, von denen WebP und AVIF abstammen (VP8 und AV1). Es handelt sich schon grundlegend nicht um einen Video-Codec. Dennoch scheint das Chrome-Codec-Team nicht nur die Video-Codecs selbst, die sie entwickeln, sondern auch die von diesen abstammenden Bildformate forcieren zu wollen. Meiner Einschätzung nach fürchten sie sich davor, dass JPEG XL an Zugkraft gewinnt und die WebP- und AVIF-Beliebtheit darunter leidet – und diese Befürchtung ist aufgrund der technischen Überlegenheit von JPEG XL begründet.

Andererseits denke ich, dass diese Formate in Frieden koexistieren können, weil sie sich durchaus ergänzen: AVIF eignet sich hervorragend als GIF-Ersatz und für Zwecke, bei denen die Qualität weniger wichtig ist. JPEG XL ist großartig für Bilder, bei denen es auf eine hohe Qualität ankommt.

Google meint, dass es nicht genug Interesse an JPEG XL geben würde. Mehrere große Unternehmen widersprechen dem – wie auch Du selbst recherchiert hast, reagierten Facebook, Adobe und Intel direkt, also beileibe keine Leichtgewichte. Aber haben diese Konzerne dennoch genug Macht, JPEG XL nach diesem Rückschlag zum Erfolg zu verhelfen?

Chrome ist ein sehr wichtiger Faktor: Gewissermaßen hat das Chrome-Codec-Team die Macht zu entscheiden, welche Formate im Web generell unterstützt werden (es spielt kaum eine Rolle, was andere Webbrowser tun, wenn man sich Chromes Marktanteil vor Augen führt). Ihre Entscheidungen haben also stets massive Auswirkungen, im Guten wie im Schlechten. Es ist jedoch erschreckend, dass ein einziges Unternehmen so viel Macht auf sich konzentriert.

Es wird sich nun zeigen müssen, wie erfolgreich JPEG XL sein wird. Selbst falls Chrome stur bei seiner Entscheidung bleibt, denke ich, dass die technischen Stärken von JPEG XL signifikant genug sind, dass sich das Format abseits des Webs durchsetzen kann. Immerhin könnte das das Chrome-Team dazu zwingen, irgendwann seinen Beschluss zu überdenken.

Einer der schwerer zu quantifizierenden Gründe von Google ist, dass JPEG XL nicht genug Vorteile gegenüber existierenden Formate bieten würde. Wenn man sich die Daten ansieht, stimmt das zumindest technisch offensichtlich nicht. Aber wie würden reguläre Nutzer und Entwickler von diesen technischen Vorteilen profitieren?

Ich denke, dass einer der größten Gewinne durch JPEG XL der Fortschritt hinsichtlich Bildqualität und Kompression ist. Existierende Formate haben – aufgrund ihrer Video-Herkunft – stets eine bessere Kompression zulasten der Qualität favorisiert. In den letzten Jahren gab es viele Qualitätsverbesserung bei der Aufnahme- und Wiedergabetechnik – Kameras werden immer besser, HDR-Bildschirme und Wide-Gamut-Displays kommen im Mainstream an. Aber Endanwender werden von diesen Fortschritten nichts zu sehen bekommen, wenn es kein Format gibt, das für exakt diese verbesserte Bildqualität entwickelt wurde.

Hinzu kommt, dass JPEG XL exzellente Leistung bei annehmbarer Geschwindigkeit bietet – ein Format wie AVIF benötigt eine Minute, um ein Bild zu speichern (wenn man auf eine gute Kompression abzielt; schnellere AVIF-Enkodierung ist möglich, aber die Kompressionsleistung leidet hierunter). Für Einsatzzwecke wie Netflix-Filmposter, die einmal enkodiert und millionenfach angezeigt werden, mag die Geschwindigkeit keine Rolle spielen. Aber für reguläre Nutzer macht dies eben doch einen Unterschied.

Zu guter Letzt lässt sich dank JPEG XL der Speicherbedarf existierender JPEG-Sammlungen um etwa 20 Prozent reduzieren – komplett ohne Risiko. Und das geht ausschließlich mit JPEG XL, womit es ein Format ist, das nicht nur für die Zukunft entwickelt wurde, sondern ebenfalls die Tech-Vergangenheit respektiert und einen hervorragenden Umstieg verspricht.

Jon, vielen Dank für die Antworten. Bei dem Interview handelt es sich um eine Übersetzung, es wurde im Original auf Englisch geführt.

In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(fo)