Drei Fragen und Antworten: Wie Arbeit im Homeoffice unter- und überschätzt wird

Die meisten Angestellten wünschen es, vielen Chefs ist es suspekt: das Homeoffice. Wir klären, wie es am besten mit Präsenz und Heimarbeit klappt.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.

Zahlreiche Unternehmen wie SAP und die Deutsche Bank haben zuletzt die Möglichkeiten zum Homeoffice erheblich eingeschränkt. Der Verlust an Flexibilität sorgt dann auch für reichlich Unmut bei den Angestellten, für die Homeoffice die beliebteste Zusatzleistung eines Arbeitgebers ist. Doch wie halten Firmen es am besten mit Präsenz, Homeoffice und hybriden Settings? Das erklärt der Ökonom Jean Viktor Alipour vom ifo-Institut im Interview.

Jean-Victor Alipour

Jean-Victor Alipour ist promovierter Ökonom am ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Seine Forschung beschäftigt sich mit den Konsequenzen der digitalen Transformation für die Arbeitswelt.

Angestellte wähnen sich im Homeoffice häufig produktiver als im Büro. Chefs beschwören hingegen die Rückkehr ins Büro, weil dort produktiver gearbeitet werde. Welche der beiden Seite hat recht?

Keine Seite hat recht. Beschäftigte überschätzen ihre eigene Produktivität im Homeoffice oft. Kreativität in der Gruppe funktioniert besser in Präsenz. Genauso die Vermittlung von Soft Skills. Vor allem junge Beschäftigte entwickeln ihre Fähigkeiten durch Nachahmung und Mentoring durch erfahrene Kollegen. Bei diesen Aspekten kann das Homeoffice nicht mithalten. Das gilt besonders mit Blick auf die längerfristige Produktivitätsentwicklung.

Andererseits zeugt ein kompletter Verzicht auf Homeoffice eher von anpassungsunfähigem Management als von Klarsicht. Mittlerweile ist eine Homeoffice-Option entscheidend für viele Job-Sucher. Bietet der Arbeitgeber kein Homeoffice an, obwohl es der Job zulassen würde, muss er entweder einen kräftigen Lohnaufschlag zahlen oder er verzichtet auf die fähigsten Fachkräfte. Das ist schlecht für die Produktivität.

Haben hybride Settings Produktivitätsvorteile gegenüber reinem Homeoffice oder reiner Präsenz?

Natürlich kommt es auf die Branche und den Betrieb an. Aber die Studienlage zeichnet mittlerweile ein relativ klares Bild: Hybride Modelle können die Vorteile aus beiden Welten vereinen. Die Produktivität verändert sich beim Wechsel von Präsenz in hybrides Arbeiten im Schnitt gar nicht bis leicht positiv. Besonders deutlich sind die Vorteile bei der Mitarbeiterzufriedenheit und der fallenden Kündigungsquote. Entscheidend für den Erfolg ist aber, die Art und Weise wie hybride Modelle umgesetzt werden: Ohne Regeln wird auch hybrides Arbeiten zur Enttäuschung. Niemand möchte ins Büro kommen, um dann in Zoom-Meetings zu hängen.

Wie können Führungskräfte die Produktivität ihrer Mitarbeiter im Homeoffice erhöhen?

Meines Erachtens gibt es zwei wesentliche Faktoren. Erstens: Koordination. Juniors lernen von erfahrenen Kollegen nur, wenn diese auch präsent sind. Kreativer Austausch funktioniert am besten persönlich. Ein Ansatz: die Festlegung von Präsenztagen. An diesen Tagen finden die Gruppentreffen, Schulungen und sozialen Veranstaltungen statt. Die restlichen Tage können die Beschäftigten ihren Arbeitsort frei wählen.

Zweitens: kultureller Wandel. Damit meine ich, die gelebte Akzeptanz von Homeoffice seitens der Führungskräfte. Wenn der Eindruck entsteht, dass Homeoffice schädlich für Beförderungen ist, werden sich die ambitioniertesten Mitarbeiter wieder im Büro tummeln, obwohl sie vielleicht produktiver zu Hause wären. Oder sie wechseln die Firma. Vertrauensarbeit und die Evaluierung von Leistung am Ergebnis statt an der zeitlichen Präsenz gewinnen an Bedeutung. Je nach Typ und Erfahrung variiert die Produktivität im Homeoffice stark. Manche Firmen experimentieren deshalb mit einer variablen Komponente beim Gehalt, die an die Homeoffice-Nutzung gekoppelt ist. Die Medienberichte über eine angebliche Rückkehr ins Büro spiegeln vor allem solche Regelungs-Ansätze wider. Es muss sich allerdings noch zeigen, welche Konzepte sich durchsetzen. Die meisten haben jedenfalls erkannt: nicht ob, sondern wie Homeoffice integriert wird, ist entscheidend.

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(axk)