Durchbruch um 4:45 Uhr: EU-Gremien einigen sich auf Gigabit-Verordnung

Laut dem Kompromiss fallen Mehrkosten für Telefonate in der EU erst ab 2029 ganz weg. Ausbau-Anträge für Netze sollen schneller bewilligt werden.​

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Große Rollen mit orangefarbenem Glasfaserkabel zur Verlegung im Boden an einer Baustelle in Beber, Niedersachsen.

Fertig zum Ausrollen: Glasfaserkabel auf einer Baustelle in Deutschland.

(Bild: juerginho/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission haben sich in der Nacht zum Dienstag grundsätzlich auf einen Kompromiss zur geplanten Gigabit-Infrastrukturverordnung verständigt. Dickster Brocken auf dem Tisch: Die Gebühren für Anrufe oder Kurznachrichten in andere Mitgliedsstaaten.

Die Zuschläge für Auslandsgespräche innerhalb der EU sind seit 2019 begrenzt auf 0,19 Euro pro Minute. Diese Vorschrift läuft am 14. Mai aber aus.
Das Parlament wollte Aufschläge langfristig abschaffen, die Mitgliedsstaaten waren dagegen. Erst um 4:45 Uhr am Dienstagmorgen gab es einen Durchbruch nach zehnstündigen Verhandlungen.

Die Unterhändler haben sich nun darauf verständigt, dass die Preisobergrenzen zunächst weiterhin gelten, erst ab 2029 sollen die zusätzlichen Gebühren ganz wegfallen. Die Kommission soll zu diesem letzteren Punkt bis 2028 die nötigen Schritte einleiten und einen Umsetzungsakt ausarbeiten.

"Wir wollten fraktionsübergreifend eine sofortige Umsetzung", sagte der EU-Abgeordnete Niklas Nienaß von den Grünen. Doch dafür habe es keine Bereitschaft der Regierungsvertreter aus dem Rat gegeben. Ab 2025 könnten Diensteanbieter indes auch bereits freiwillig Zusatzkosten verringern beziehungsweise Preise für Inlands- und EU-Gespräche zusammenfassen.

Die Auslandszuschläge gelten nicht nur im grenzüberschreitenden Telefonverkehr. Auch bei Urlaubsaufenthalten im EU-Ausland werden sie fällig, wenn Gespräche mit lokalen Rufnummern – etwa einem Hotel oder Restaurant – geführt werden. Die Roaming-Regulierung, die Telefonate nach dem heimischen Tarif erlaubt, gilt nur für Anrufe ins Heimatland. Nienaß spricht von einer "echten Telefonkostenfalle".

Prinzipiell zielt der Gigabit Infrastructure Act (GIA) darauf ab, die Bürokratie sowie die Kosten und den Verwaltungsaufwand rund um die Einführung von Hochgeschwindigkeitsnetzen für alle EU-Bürger bis 2030 zu verringern. So soll künftig etwa eine Genehmigungsfiktion greifen: Anträge zum Netzausbau, die nicht innerhalb von vier Monaten beantwortet werden, gelten demnach als stillschweigend bewilligt.

Der Rat war zwar gegen diese Klausel, das Parlament bestand aber darauf. Ihr Zugeständnis: Die Mitgliedsstaaten können nach der Frist etwa noch die Option eines Schiedsverfahrens zwischen öffentlichen Stellen und Telekommunikationsbetreibern vorsehen, das bis zu zwei Monate dauern dürfte. In vielen EU-Länder werden Genehmigungen angeblich aber ohnehin schneller erteilt als in der Bundesrepublik.

Deutschen Branchenverbänden war vor allem der Vorschlag der Kommission zur Mitnutzung sämtlicher vorhandener Infrastrukturen übel aufgestoßen. Dies würde "den missbräuchlichen Doppelausbau von Glasfasernetzen durch das marktmächtige Unternehmen erleichtern", monierte etwa der Breitbandverband Anga, in dem vor allem Kabelnetzbetreiber vertreten sind, in einer heise online vorliegenden Stellungnahme. Anders als in vielen anderen Mitgliedsstaaten seien hierzulande noch nicht in großem Umfang Leerrohre vorhanden.

Für kommunale Anbieter wie Stadtwerke sei ein Investitionsschutz vereinbart worden, erläuterte Nienaß. In Regionen, wo sich ein Ausbau nicht wirklich lohne, könnten die Betreiber Infrastrukturen aufbauen und dann ein virtuelles Zugangsprodukt anbieten. Das hiesige Telekommunikationsgesetz (TKG) beinhaltet eine solche Regelung bereits. Anbieter können die Mitnutzung eigener Infrastruktur wie Leerrohre ablehnen, wenn sie Wettbewerbern einen Bitstrom-Zugang zur Verfügung stellen.

Diese Ausnahmen gelten laut Nienaß nun – nach einer Veto-Androhung des Bundesministeriums für Digitales – nur für Deutschland und Italien, wo es bereits ähnliche Bestimmungen gibt. In allen anderen EU-Staaten müssen Netzbetreiber Konkurrenten Zugang etwa zu Leerrohren und Masten geben, um die Ausbaukosten insgesamt zu drücken.

Laut dem Rat konnten die Unterhändler Details für faire und angemessene Zugangsbedingungen klären. Es solle eine spezielle Bestimmung für Vermittler zwischen Grundeigentümern und Infrastrukturbetreibern eingeführt werden, um etwa Streit über das Aufstellen von Mobilfunkstationen zu reduzieren. Für Gebäude soll ein freiwilliges Label-Programm für die Inhouse-Glasfaserverkabelung kommen.

Die vorläufige Einigung stelle insgesamt sicher, "dass die Mitgliedstaaten eine weitreichende Autonomie bei der Erteilung strengerer und detaillierterer Regeln für mehrere wichtige Elemente dieser neuen Verordnung haben", betont der Rat. Das Gesetz werde 18 Monate nach seinem Inkrafttreten greifen.

Der Parlamentsberichterstatter Alin Mituța von den Liberalen stellte auf X heraus, "dass alle neu errichteten oder im größeren Umfang sanierten Gebäude mit Glasfaser ausgestattet werden müssen". Das "endlose Graben auf Ihrer Straße" habe ein Ende: "Bauarbeiten müssen beispielsweise zwischen Wasserwerken, Glasfaserinstallationen und anderen öffentlichen Versorgungsarbeiten koordiniert werden."

Die Telekommunikationsbranche war gegen die sich abzeichnende Verständigung im sogenannten Trilog geschlossen Sturm gelaufen. Ursprünglich habe die Kommission mit ihrem GIA-Entwurf Optionen schaffen wollen, "die Kosten und den Zeitaufwand für den Ausbau von 5G- und Gigabit-Netzwerken zu reduzieren", beklagten Verbände. "Historischen Bemühungen", EU-weit in schnellen Mobilfunk und Glasfaser zu investieren, würden jetzt aber durch Vorschläge einer aggressiven Preisregulierung auf wettbewerbsintensiven Märkten innerhalb der Gemeinschaft konterkariert.

(vbr)