ELROB 2008: Immer noch zu wenig Autonomie

Zum Abschluss der Europäischen Leistungsschau Robotik sollten Militärroboter ihre Fähigkeiten zur Objektsicherung unter Beweis stellen, bewiesen dabei aber nur selten echte Wächterqualitäten.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Zeigen Sie mir Ihre Dienstmarke: Wachroboter Canguru hat einen Eindringling gestellt.

Zwei Männer in Uniform schlendern gemächlich über den zentralen Platz des Militärlagers. Sie zeigen keinerlei Eile, als wären sie hier zu Hause. Doch tatsächlich sind es unbefugte Eindringlinge, die hier womöglich wichtige Geheiminformationen ausspioniert haben. Ein wenige Meter entfernt stehender Wachroboter schaut dummerweise gerade in die andere Richtung. Die Männer schlendern weiter, der Roboter dreht seine Sensoren. Jetzt scheint er die Spione entdeckt zu haben, er wendet sich in ihre Richtung, nimmt Fahrt auf – zu spät, die Männer haben das Gelände bereits verlassen.

Später kommt ein einzelner Mann, überquert den Platz im Laufschritt, duckt sich an eine Wand. Das ist ein Eindringling der Schwierigkeitsstufe 2. Er huscht von Gebäude zu Gebäude, bis endlich ein Wachroboter auftaucht und ihn auffordert sich zu identifizieren. Der Mann bleibt eine Weile vor dem Roboter stehen, dann nimmt er eine Farbsprühdose und markiert damit die Stelle des Triumphes des digitalen Wächters.

Allzu viele farbige Markierungen gab es nicht nach Abschluss des "Camp Security"-Szenarios, mit dem die Europäische Leistungsschau Robotik (ELROB) heute auf dem Gelände der Infanterieschule Hammelburg beendet wurde. Soldaten im Einsatz sind gut beraten, ihre Feldlager weiterhin von Menschen und fest installierten Sensoren bewachen zu lassen. Auch bei den anderen Szenarien an den vorangegangenen Tagen zeigten sich die mechanischen Kameraden nur bedingt einsatzbereit.

Henrik Christensen, Professor für Robotik in Stockholm und Atlanta (US-Bundesstaat Georgia), der bei der ersten militärischen Elrob vor zwei Jahren die Jury geleitet hatte und diesmal als Berater teilnahm, erkannte gleichwohl große Fortschritte. Tatsächlich waren die Anforderungen an die Roboter, die teilweise über große Distanzen durch unbekanntes Gelände gesteuert werden mussten, diesmal deutlich schwieriger. Zugleich zeigte sich Christensen aber enttäuscht darüber, dass die Roboter immer noch über wenig autonome Fähigkeiten verfügen.

Beim Szenario "Camp Security" trat das Team Telerob mit einem ferngesteuerten Roboter (vorne) sowie einem von der Universität Freiburg mit autonomen Funktionen ausgestatteten Wachroboter (hinten) an.

Dem konnte der wissenschaftliche Leiter des Wettbewerbs Frank E. Schneider von der Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften (FGAN) nur zustimmen. "Wir haben die Aufgaben nun schon extra so formuliert, dass sie mit reiner Fernsteuerung praktisch nicht zu bewältigen sind", sagte er. Das wurde von den Teams aber offenbar nicht ernstgenommen. Obwohl es laut Schneider gerade die Teilnehmer waren, die einen größeren Druck in Richtung Autonomie gefordert hätten.

Diesmal machten insbesondere die Industrieteams eine eher schlechte Figur. So blieb das Fahrzeug "Gecko TRS" der Firma Base Ten Systems beim Transportszenario "Mule" trotz aufwendiger Kontrollstation mit hoch aufragender Funkantenne im Wald stecken und brauchte beim Aufklärungsszenario zu lange fürs Setup. Die Firma Diehl kam mit ihrem relativ neuen Roboter "Canguru" bei den Aufklärungs- und Transportszenarien ebenfalls nicht weit. Dafür gelang es immerhin, bei der Camp Security den Eindringling der Schwierigkeitsstufe 2 zu stellen. Etliche andere Industrieteams, die sich angemeldet hatten, traten gar nicht erst an.

Die Leistungen der Universitätsteams hoben sich davon positiv ab. Hier sind deutlich mehr Anstrengungen in Richtung Autonomie zu erkennen, auch wenn die Ergebnisse noch weit vom operationellen Einsatz entfernt sind. "Ravon" von der Universität Kaiserslautern dürfte der einzige Roboter gewesen sein, der komplett autonom gefahren ist. Das ging zwar langsam und gelegentlich in Schlangenlinien, war aber insbesondere beim Aufklärungsszenario sehr erfolgreich. Ravon erreichte sowohl bei Tag als auch bei Nacht das Zielgebiet. "Sie sind auf dem richtigen Weg", sagt Christensen. "Bei der Navigation stützen sie sich aber noch zu sehr auf GPS." Ohne ein Verständnis seiner unmittelbaren Umgebung könne ein Roboter nicht weit kommen.

Das Team der Universität Hannover steuerte sein Fahrzeug "RTS-Hanna" zwar über Funk, kam dabei aber mit einer extrem schmalen Übertragungsrate von 19,2 Kilobit pro Sekunde aus. "Pro Sekunde werden vier Datenpakete von 30 mal 24 Pixel übertragen", erläutert Teammitglied Marko Reimer. "Das genügt dem Operator zumeist, um sich zu orientieren." Für ein schärferes Bild muss das Fahrzeug gegebenenfalls etwas länger stehen bleiben. Der Operator gibt ihm dann den nächsten Wegpunkt als GPS-Koordinate vor. Beim nächtlichen Aufklärungsszenario, das nach Auskunft der Elrob-Veranstalter in der vergangenen Nacht weltweit erstmals in einem vergleichenden Wettstreit durchgeführt wurde, gelang es den Hannoveranern auf diese Weise, von der 3000 Meter langen Strecke 2500 Meter zu bewältigen. "An diesem Punkt ging der Funkkontakt verloren, sodass das Fahrzeug autonom wieder zurück fuhr, um den Kontakt wieder herzustellen", sagt Teamchef Bernardo Wagner. "Aus diesem Grund wurden nur 2000 Meter gewertet."

Beobachtet von einer Wärmebildkamera und begleitet von einem Aufpasser mit Notstoppsender nähert sich Wiesel 2 Digital dem Ziel seiner nächtlichen Aufklärungsmission.

Die Aufklärungsmission in völliger Dunkelheit konnte von den Zuschauern mithilfe einer Wärmebildkamera verfolgt werden, deren Bilder auf eine Leinwand vor der Tribüne projiziert wurden. Dort war dann in verfremdeten Schwarzweißbildern zu erkennen, wie in 500 Metern Entfernung der Flugroboter AirRobot gestartet und nach und nach größer wurde. Man ahnte irgendwann, dass er sich vor der Tribüne befinden müsste. Zu hören war aber nichts von den vier kleinen Rotoren, die das Fluggerät in der Luft halten. Auf andere Weise unheimlich war die Annäherung des ferngesteuerten Panzers "Wiesel 2 Digital", die zunächst ebenfalls auf den Leinwand zu sehen war, bis dann auf einmal aus der Dunkelheit in unmittelbar Nähe das Brummen des Motors zu hören war.

Es war ein Freiluftkinoerlebnis der besonderen Art, das die Zuschauer auf Dauer allerdings nicht zu fesseln vermochte. Nach 1:00 Uhr leerten sich die Ränge, sodass nur noch wenige Zuschauer die Triumphfahrt des Roboters "Telemax" der Firma Telerob miterlebten. Dem gelang es auf 500 Metern Entfernung ferngesteuert nicht nur das Zielgelände zu erreichen, sondern auch zwei der drei dort markierten Fahrzeuge zu fotografieren und ihre Position zu bestimmen. Zwei Versuche am Tag hatten dagegen zuvor ergebnislos abgebrochen werden müssen.

Die nächste Elrob findet im kommenden Jahr wieder mit ziviler Ausrichtung statt, dann in Rynia in der Nähe von Warschau.

Zur diesjährigen Leistungsschau der Militärroboter siehe auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (vbr)