ETech: Lawrence Lessig stellt Projekt "Change Congress" vor

Lessigs neue Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, Kandidaten dazu zu bringen, sich zu Maßnahmen für ein weniger korruptes Washington zu bekennen – ganz so, wie sich Urheber mit Creative Commons zu einem laxeren Umgang mit ihren Rechten bekennen.

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Von
  • Janko Röttgers

Lawrence Lessig ist im Netz als Mitbegründer von Creative Commons und emsiger Kämpfer gegen ausufernde Urheberrechte bekannt. Die Besucher der Konferenz Emerging Technology in San Diego bekamen am Mittwoch jedoch einen anderen Lessig zu sehen. "Ob Mickey Mouse frei ist oder nicht – das ist letztlich nicht das Ende der Welt", ließ er mehrere hundert Zuhörer seiner Keynote-Ansprache wissen. Ein viel größeres Problem sei der zunehmende Einfluss privater Gelder auf die US-amerikanische Politik.

Bestechlichkeit habe es schon immer gegeben, berichtete Lessig, und aufgrund einer größeren Öffentlichkeit gebe es heute viel weniger direkte Vorteilnahme politischer Amtsträger als noch vor wenigen Jahrzehnten. "Heute ist man vorsichtiger mit Schmiergeldern", erklärte er. "Doch dafür gibt es eine andere Form der Korruption. Institutionelle Korruption." Die Abhängigkeit der US-Politik von Spenden zur Finanzierung von Wahlkampagnen gebe Lobbyisten und anderen reichen Spendern mehr Einfluss als ganz normalen Bürgern.

Eine Lösung ist dafür in Lessigs Augen die Einführung einer öffentlichen Wahlkampf-Finanzierung. Erreichen will er dieses Ziel mit einer neuen Organisation namens Change Congress, die in zwei Wochen offiziell eingeweiht werden soll. Dabei hat sich Change Congress von Creative Commons mehr als nur die Anfangsbuchstaben ausgeliehen: Lessigs neue Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, Kandidaten dazu zu bringen, sich zu Maßnahmen für ein weniger korruptes Washington zu bekennen – ganz so, wie sich Urheber mit Creative Commons zu einem laxeren Umgang mit ihren Rechten bekennen.

Politiker werden dazu auf der Change Congress in einem Formular unter anderem angeben können, ob sie für öffentlich finanzierte Wahlkämpfe sind und ob sie bereit sind, freiwillig auf Spenden von Lobbyisten zu verzichten. Auf der Basis ihrer Antworten bekommen sie dann ein Banner, das sie auf ihrer Website abbilden können.

Lessig will reformwilligen Kandidaten jedoch mehr bieten als nur eine nette Grafik. Über eine Web-Plattform will er Spenden für sie sammeln, sodass sie für ihr Engagement auch eine finanzielle Belohnung bekommen. Schließlich will er reformunwillige Politiker zum Umdenken zwingen, indem Change Congress in den jeweiligen Bezirken eigene Kandidaten zur Wahl aufstellt. "Es soll billiger werden, sich lieber gleich zu Reformen zu bekennen", erklärte er.

Lessig hatte kürzlich selbst überlegt, für einen Sitz im US-Kongress zu kandidieren, nachdem ein paar tausend Facebook-Unterstützer ihn zu so einem Schritt aufgefordert hatten. Nach einigen Tagen Bedenkzeit gab er die Idee jedoch wieder auf. Dem ETech-Publikum erklärte er dazu jetzt, dass er in seinem Wahlbezirk einfach keine Chance gehabt hätte. "Ich bin sehr gut im Verlieren", erklärte er mit Anspielung auf seine Niederlagen vor dem US-Bundesgerichtshof in zwei Urheberrechts-Reform-Klagen. "Ich hatte jedoch Angst, dass ich die Bewegung torpedieren würde, wenn ich diese Wahl verloren hätte."

Zur ETech 2008 siehe auch:

(Janko Röttgers) / (anw)