EU-Kommission legt neuen Entwurf für Fernsehrichtlinie vor

Medienkommissarin Viviane Reding will mit ihrem Vorstoß für ein Rahmenwerk für audiovisuelle Mediendienste den nationalen Weg für Product Placement freimachen. SPD-Chef Kurt Beck geht der Jugendschutz nicht weit genug.

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EU-Medienkommissarin Viviane Reding hat Ende der Woche einen überarbeiteten Vorschlag (PDF-Datei) für die Novelle der EU-Fernsehrichtlinie vorgestellt. Die konsolidierte Fassung des geplanten, an neue Techniken wie Video auf Abruf oder Streaming angepassten rechtlichen Rahmenwerks für audiovisuelle Mediendienste übernimmt weitgehend die vom EU-Rat und EU-Parlament ins Spiel gebrachten Regelungen zum Product Placement. Pro Forma sollen Produktplatzierungen demnach verboten sein. Den EU-Mitgliedsstaaten wird aber gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, Product Placement in Spielfilmen, Fernsehserien und Sportübertragungen "ausdrücklich zuzulassen". Faktisch soll die umstrittene Werbeform so EU-weit freigegeben werden.

Produktplatzierungen müssen dem Entwurf zufolge deutlich als solche gekennzeichnet sein. Hinweise darauf sollen in klar identifizierbarer Form am Start und am Ende des entsprechenden Programms sowie nach einer regulären Werbepause geschaltet werden, um "jegliche Verwirrung des Zuschauers zu verhindern". Als weitere Anforderungen nennt das Papier, dass die Verantwortlichkeit und die redaktionelle Unabhängigkeit des Medienanbieters nicht unterlaufen und der Zuschauer nicht direkt zum Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung durch eine zu prominente Darstellung derselben ermutigt werden darf. Ausschlussregeln sind zudem für Artikel wie Tabakwaren oder spezielle Medikamente und Behandlungsformen vorgesehen.

Nach dem Beschluss des Parlaments sollte in jeder Sendung, die Produktplatzierung enthält, explizit alle 20 Minuten mit einem Signal darauf aufmerksam gemacht werden. Dies geht der Kommission zu weit. Ursprünglich wollte sie Product Placement allgemein erlauben, solange es sich nicht um klare Schleichwerbung handle. Die dem normalen Zuschauer wohl nur schwer vermittelbaren Unterschiede zwischen den beiden unkonventionellen Werbeformen versucht der neue Entwurf noch einmal herauszuarbeiten. Die weiterhin untersagte Schleichwerbung definiert die Brüsseler Behörde darin als vom Anbieter gezielte Darstellung von Artikeln oder Dienstleistungen, bei der die Öffentlichkeit über den kommerziellen Charakter in die Irre geführt werden könnte.

Generell will die Direktive die Werbung liberalisieren, da dem Nutzer in der digitalen Medienwelt ausreichend auch technisch unterstützte Möglichkeiten zum Umgehen von Reklame sowie breite Alternativangebote zur Verfügung stünden. Bei der geplanten Beschränkung der Werbezeit beharrt Reding auf ihrem ursprünglichen Plan, künftig pauschal maximal 12 Minuten pro Stunde für Spots freizugeben. Bestimmungen zu Abstandsregeln und der "Tagesdosis" sollen dagegen gänzlich fallen und so etwa auch die Einblendung permanenter einzelner Mini-Reklamefenster möglich werden. Nach dem Willen der EU-Abgeordneten sollten Sender alle 30 Minuten Werbeblöcke schalten dürfen. Nur bei Sportsendungen waren Einzelwerbespots ohne zeitliche Vorgaben vorgesehen.

Generell sieht der Reformvorschlag einen abgestuften Regulierungsansatz und die Einführung des Systems der "Ko-Regulierung" vor. "Lineare Dienste", die dem klassischen TV-Angebot entsprechen, sollen vergleichsweise strengen Auflagen wie im jetzigen Rundfunk unterworfen werden. Nicht-lineare Dienste wie die Bestellung eines Videos auf Abruf müssen dagegen nur gewisse Grundregeln etwa beim Jugendschutz oder bei der Unterbindung rassistischer Äußerungen einhalten. Im Gegenzug soll für sie das "Herkunftslandsprinzip" gelten, wonach die rechtlichen Bedingungen am Standort des Mediendienstes maßgeblich sind.

Die Mitgliedstaaten müssten mit dieser Regelung grundsätzlich Produkte und Angebote aus anderen EU-Staaten auf dem heimischen Markt zulassen. Dies hat bereits zu Kritik von Fachverbänden geführt, wonach sich der Jugendmedienschutz in Deutschland in Richtung des niedrigsten EU-Niveaus hin entwickeln und eine Art "Killer-TV" auch hierzulande freigegeben werde. Anfang März "ehrte" der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Reding in Abwesenheit mit dem "nassen Schwamm" für den "bildungspolitischen Tiefschlag" in 2006. Die Kommission sucht diesen Bedenken durch eine neue Passage zu begegnen, wonach Mitgliedstaaten die Ausstrahlung von Programmen etwa verhindern können, wenn diese jugendgefährdend sind. Prinzipiell sollen zudem technische Vorkehrungen wie Verschlüsselungen, späte Sendezeiten oder akustische Warnsignale sowie die Stärkung von Medienkompetenz den Jugendschutz sichern.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sieht in diesem Bereich trotzdem weiter Verbesserungsbedarf. Noch bevor der überarbeitete Entwurf überhaupt offiziell auf dem Tisch lag, erklärte der SPD-Chef die Jugendschutzvorkehrungen als "bei weitem nicht ausreichend". Sie drohten, das anspruchsvolle deutsche System aufzuweichen. Es sei eine Klarstellung erforderlich, dass für nicht-lineare Dienste die europäische E-Commerce-Richtlinie mit ihren Ausnahmebestimmungen uneingeschränkt weiter gelte. Die Regelungen der revidierten Fernsehrichtlinie dürften hier nur zusätzlich Anwendung finden, forderte Beck. Mit dieser Lösung bleibe die Möglichkeit erhalten, bei jugendgefährdenden oder rechtsextremen Inhalten aus anderen Mitgliedstaaten Sperrungsverfügungen zu erlassen, um strengeres deutsches Recht durchzusetzen. Kritisch bemerkte Beck außerdem, dass in dem geänderten Vorschlag der Kommission kein spezifisches Verbot so genannter Themen-Placements in Fernsehsendungen enthalten sei.

Diesen Kurs befürwortet auch Ruth Hieronymi von der CDU, die parlamentarische Berichterstatterin für die Neufassung der Richtlinie. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in der EU-Volksvertretung, Rebecca Harms, hält den Einsatz Hieronymis für mehr Jugendmedienschutz dagegen bei näherer Betrachtung für "mehr Schein als Sein". Ihr Werben für das aufgrund technischer und organisatorischer Schwierigkeiten wenig effektive kommende Modell der Sperrungsverfügung von audiovisuellen Mediendiensten führe die Öffentlichkeit in die Irre. Die vom Parlament geforderte Stärkung von unabhängigen Produzenten drohe zudem ebenso zu scheitern wie die Einführung eines durchsetzungsstarken, europaweiten Rechts auf Kurzberichterstattung. Die EU-Kulturminister wollen sich Ende Mai mit der Novelle befassen, das EU-Parlament soll im Juni in zweiter Lesung darüber beraten. (Stefan Krempl) / (jo)