EU-Kommission wertet freiwillige Chatkontrolle als Erfolg – doch Daten fehlen​

Die längst überfällige Evaluation der Ausnahmebestimmung zum freiwilligen Scannen von Nachrichten durch Facebook & Co. krankt an unterschiedlichen Statistiken.​

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Ein Smartphone mit geöffneter Messaging-App in einer menschlichen Hand, auf dem Bildschirm ist verschwommen ein Chat zu sehen.

(Bild: Tero Vesalainen/Shutterstock.com)

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Mit rund vier Monaten Verspätung hat die EU-Kommission am Dienstag ihren Bericht über die Umsetzung der Übergangsregelung zum freiwilligen Scannen von Online-Nachrichten auf Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs durch Dienstleister wie Facebook, Instagram, Google, Microsoft und X (vormals Twitter) veröffentlicht. Dabei bescheinigt sie den Mitgliedsstaaten, dass diese ihr nur sehr "heterogene Statistiken" übermittelt hätten. Dies lasse darauf schließen, dass die EU-Länder Daten "offenbar nicht immer systematisch und ordnungsgemäß erheben". Aber auch die Informationen der Diensteanbieter seien nur schwer vergleichbar, was insgesamt "keinen umfassenden Überblick" ermögliche.

Die sich beteiligenden Messaging-Betreiber haben der Evaluation zufolge entdeckte Missbrauchsaufnahmen dem US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) gemeldet, das im Anschluss solche Aufnahmen an Strafverfolgungsbehörden auch in der EU weiterleitet. Allerdings haben die Anbieter demnach unter anderem "die Anzahl und das Verhältnis von Fehlern (falsch-positiven Ergebnissen)" der von ihnen verwendeten verschiedenen Suchtechnologien wie Microsoft PhotoDNA oder Eigenentwicklungen nicht aufgeschlüsselt. Dies deute darauf hin, dass sie "einen mehrschichtigen Ansatz zur Erkennung" von Missbrauchsmaterial verwendeten, "der durch eine menschliche Überprüfung ergänzt wird". Damit sei es möglich, maschinelle Falscheinschätzungen zu revidieren.

Die Option für die "freiwillige Chatkontrolle" führten die EU-Gesetzgeber 2021 durch eine eilig verabschiedete Ausnahme von der E-Privacy-Richtlinie ein. Die Mitgliedsstaaten werden damit auch verpflichtet, aussagekräftige Statistiken an die Kommission zu liefern. Sie hätten aber etwa keine Angaben zur Zahl der für die Strafverfolgung herangezogenen Meldungen gemacht, moniert die Brüsseler Regierungsinstitution. Einige Länder wiesen ihr zufolge zwar die Menge der eingeleiteten Fälle aus, die NCMEC-Weiterleitungen seien aber deutlich höher gewesen. Dies werde etwa damit begründet, dass das Material nach nationalem Recht nicht als strafbar eingestuft worden sei. Einige Mitgliedstaaten berücksichtigten in ihren Statistiken auch eigene einvernehmliche Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen ("Sexting").

Eine der zentralen Fragen der Evaluierung war, ob die Interimsverordnung die erforderliche Balance zwischen den Interessen der Strafverfolgung sowie den Grundrechten von Kindern und Messaging-Nutzern erreicht. Die verfügbaren Daten reichen laut der Kommission aber nicht aus, "um diesbezüglich endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen". Dennoch sieht sie "keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausnahmeregelung unverhältnismäßig ist". Insgesamt zeichne sich trotz der statistischen Schwächen ab, dass im Berichtszeitraum bis Januar 2023 "Tausende von Kindern identifiziert, mehr als zweitausend Verurteilungen erwirkt und Millionen von Bildern und Videos aus dem Verkehr gezogen wurden". Daraus lasse sich folgern, dass das freiwillige Scannen "erheblich zum Schutz einer großen Zahl von Kindern, auch vor anhaltendem Missbrauch, beigetragen hat". Es scheine, dass die Bestimmung "wirksam ist".

Die verfügbaren Daten und deren Berichterstattung stärker zu standardisieren würde laut dem Bericht dazu beitragen, "ein besseres Bild über relevante Aktivitäten im Kampf gegen dieses Verbrechen zu erhalten". Die EU-Länder und die Anbieter müssten hier "zusätzliche Anstrengungen" unternehmen. Die von der Kommission vorgeschlagene Verordnung für eine verpflichtende Chatkontrolle auch durch WhatsApp, Signal & Co. hätte dazu klarere Vorgaben enthalten. Diese Initiative gilt nach heftigen Protesten vorläufig als gescheitert. Die Exekutivinstanz will die Übergangsregel daher bis August 2026 verlängern. Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) hält die präsentierte Bilanz aber für "verheerend". Inhaltlich handele es sich um eine Luftnummer: "Da werden Zahlen zu Verdachtsmeldungen, Identifizierungen und Verurteilungen in den Raum gestellt, ohne dass ein Zusammenhang mit der Chatkontrolle privater Nachrichten belegt ist." Nur mit jedem vierten ausgeleiteten Privatfoto oder -video könne die Polizei überhaupt etwas anfangen. Dieser Irrweg müsse rasch vom Tisch.

(mki)