EU-Kommission will Journalisten vor Überwachung und Zensur schützen

Die EU-Kommission will die Medienfreiheit in Europa schützen. Der Media Freedom Act soll vor Einflussnahme durch Staaten und Internetplattformen schützen.

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(Bild: TippaPatt/Shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner
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Medienfreiheit ist auch in Europa nicht garantiert. Staatskonzerne kaufen sich in Ungarn und Polen in Medienhäuser ein; öffentlicher Rundfunk ist oft Ziel politischer Einflussnahme, die aktuell etwa Führungskräften des NDR in Kiel vorgeworfen wird. In Österreich verursachte die sogenannte Inseratenaffäre Unruhe, die Regierung finanzierte dort die Presse mit Anzeigen. Mit der Pegasus-Affäre wurde bekannt, dass innerhalb der EU staatliche Akteure in Polen, Frankreich und Griechenland Journalisten mit Spyware angegriffen haben.

Der Digital Services Act (DSA), den die EU im Juli dieses Jahres beschlossen hat, wird Plattformanbieter zur Moderation aller Inhalte verpflichten. Kulturpolitiker hatten zuvor dafür gekämpft, dass professionelle journalistische Inhalte davon ausgenommen werden: Medienfreiheit dürfe nicht unter die Geschäftsbedingungen der Internetkonzerne fallen.

Viele dieser Konflikte soll das neue Medienfreiheitsgesetz (Media Freedom Act, kurz MFA) lösen, das die EU-Kommission am 13. September vorgeschlagen hat. Artikel 17 des MFA etwa geht das DSA-Problem an: Demnach sollen professionelle Medienanbieter, auch Journalisten, ihren Berufsstatus den Plattformen wie Instagram, Facebook, Twitter, Twitch, YouTube oder TikTok melden. Die Plattformen sollen diese Konten dann sensibler behandeln, wenn sie oder ihre Inhalte gesperrt oder eingeschränkt werden sollen.

Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen (LfM), meint, mit dem DSA sei jetzt umzugehen. "Der MFA versucht, einen Kompromiss zu finden, schafft etwas Ähnliches wie ein Medienprivileg." Nun gehe es darum, mit diesem Gesetz dafür zu sorgen, dass die Medienfreiheit garantiert bleibe. Um undemokratischen Eingriffen entgegenzuwirken, will der MFA etwa verbieten, dass Staaten die Entscheidungen der Medien beeinflussen.

Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, sieht eine große Schwäche des MFA in fehlenden Sanktionen.

(Bild: Landesanstalt für Medien NRW)

Die Diskussionen über die Grenzen zulässiger staatlicher Einflussnahme dürften intensiv werden. In Polen etwa kaufte sich der staatliche Ölkonzern PKN Orlen in die Verlagsgruppe Polska Press ein – der polnische Ombudsmann für Menschenrechte legte dagegen Einspruch ein, den ein polnisches Gericht aber ablehnte. Auch in Ungarn sind Medien und Staat oft eng verknüpft. Kritik an solchen Zuständen konnte aus Sicht des Medienregulierers Tobias Schmid bislang zu einfach als politischer Vorwurf abgetan werden.

Der MFA soll Staaten deshalb verbieten, Medien oder Medienmitarbeiter und deren Angehörige zu überwachen, zu durchsuchen, zu befragen oder Zwangsmaßnahmen gegen sie anzuwenden, sofern keine dem EU-Recht genügende Rechtfertigung vorliegt. Auch Spyware darf gegen sie nur unter strengsten Ausnahmen eingesetzt werden. Eine unabhängige Stelle soll diese Verbote überwachen, sie muss aber noch geschaffen werden.

Nicht nur große Medienanbieter könnten vom MFA profitieren, denn er fasst den Begriff der Mediendienste sehr breit. Auch hauptberufliche Kreativschaffende und Journalisten sollen etwa bei YouTube, Twitch oder TikTok künftig als Mediendienstanbieter gelten und somit neue Rechte bekommen. Tiemo Wölken, EU-Parlamentarier der SPD, begrüßt das: "Besonders wichtig ist der Schutz vor staatlichem Einfluss oder das Verbot jeglicher Überwachung, aber auch der Schutz vor willkürlichen Entscheidungen von Plattformen durch algorithmische Kuratierung oder Löschung ihrer Inhalte."

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) haben den MFA-Entwurf energisch kritisiert. Schon bevor die EU-Kommission diesen vorstellte, erklärten die Verbände: "In dieser Form wäre der Entwurf eine ‚Medienunfreiheitsverordnung‘ und ein Affront gegen die Werte der Europäischen Union und der Demokratie." Die Verbände stören sich am wachsenden Einfluss der EU und forderten, den MFA-Entwurf stark zu überarbeiten oder ganz fallenzulassen.

LfM-Direktor Tobias Schmid dagegen findet, Probleme würden im Media Freedom Act gut erkannt, bei den Lösungsansätzen gebe es aber Verbesserungsbedarf. "Die große Schwäche ist jenseits der konstitutiven Fragen: Er ist in weiten Teilen sanktionslos." Aus Sicht der Presseverleger und Rundfunkveranstalter müsse man sich fragen: "Kann ich mein Recht auch erzwingen? Oder nur an einem netten Gesprächskreis teilnehmen?" Sanktionen oder gar Geldstrafen enthält der MFA bislang nicht.

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