EU-Parlament geht beim Einheitspatent auf Konfrontationskurs

Abgeordnete des Rechtsausschusses haben den Beschluss des EU-Rates scharf kritisiert, dem Europäischen Gerichtshof nicht die letzte Entscheidung in Patentauseinandersetzungen zu lassen.

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Abgeordnete des Rechtsausschusses des EU-Parlaments haben den Beschluss des EU-Rates zum Einheitspatent scharf kritisiert. Er schlägt vor, die Artikel 6 bis 8 aus der geplanten Regulierung zu streichen. Da sie sich auf das materielle Patentrecht beziehen, könnte über ihre Auslegung nur der EuGH entscheiden, nicht das zentrale Patentgericht. Dieser Ausschluss des EuGH verstößt nach Meinung des Berichterstatters Bernhard Rapkay (SPD) gegen EU-Recht. Zudem würden die Regeln "vollkommen ineffektiv". Er machte weiter deutlich, dass die Volksvertreter die jahrelangen Verhandlungen über das Gemeinschaftspatent nicht neu aufnehmen wollten und ging so auf Konfrontationskurs zum Ministerrat. Er fügte an: "Sollte es nicht zu einem EU-Patent kommen, ist der Rat daran schuld".

Nach der Absage an das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA scheint das Parlament erneut bereit, ein Prestigeobjekt des Schutzes der Rechte an immateriellen Gütern zu Fall zu bringen. Unterstützt wird Rapkay vom Rechtsdienst des Parlaments, der den Kern des Gesetzgebungsvorhabens betroffen sieht. Er befürchtet ebenfalls, die vom Rat verlangte Regelung kollidiere mit dem bestehenden Recht.

Über den genauen Text der Regulierung hatten sich Ministerrat und Europäisches Parlament Ende 2011 geeinigt. Der Ministerrat hatte seinerzeit zugesichert, das Gesetz in diesem Wortlaut zu verabschieden, wenn das Parlament ebenfalls bei dem vereinbarten Text bleibe. Dass der Rat nun plötzlich davon abrückte, erboste viele Parlamentarier.

Raffaele Baldassarre von der Fraktion der Europäischen Volkspartei warnte vor einem "schwerwiegenden politischen Präzedenzfall". Für die Grünen warf Eva Lichtenberger dem Rat vor, unverantwortlich gehandelt zu haben. Die Liberale Cecilia Wikström meinte, dass sie weniger der Inhalt der neuen Linie der Mitgliedsstaaten störe als vielmehr das Vorgehen. Gänzlich einverstanden mit der Rats-Linie zeigte sich allein der Brite Sajjad Karim von der Fraktion der Konservativen und Reformisten: Es koste zu viel Zeit, hätte der EuGH in Patentstreitigkeiten das letzte Wort.

Der Rechtsausschuss, der das Gesetzespaket für das Einheitspatent im Dezember in seiner ursprünglichen Form zunächst befürwortete, will nach der Sommerpause über das weitere Vorgehen beraten. Eigentlich sollte das Plenum bereits Anfang Juli die Initiative endgültig absegnen, was die Verhandlungsführer aber kurzfristig verhinderten.

In der Zwickmühle steckt vor allem der britische Premierminister David Cameron. Er soll für den Verzicht auf London als Hauptstandort des zentralen Patentgerichts die Streichung der drei Artikel verlangt haben. Lenkt er ein und macht den Weg frei für die zunächst vorgesehene Kompetenz des EuGH, bringt er Euroskeptiker, etliche Rechtsexperten sowie die Patentlobby seines Landes gegen sich auf. Bleibt er bei seiner Linie, gefährdet er das Einheitspatent und damit auch die Ansiedlung einer der beiden Nebenstellen des zentralen, in Paris geplanten Patentgerichts in London.

Sollte das Projekt scheitern, dürften sich Mittelstandsverbände und Verfechter freier Software freuen. Sie treibt die Sorge um, dass über die neue Gerichtsbarkeit die zahlreichen Softwarepatente legalisiert werden könnten, die das Europäische Patentamt über Jahre hinweg gegen den Geist der materiellen Rechtsgrundlagen vergeben habe. (ck)