EU-VerhandlungsfĂĽhrer: Automatischer Zugriff auf Patientendaten geht gar nicht
Die EU-Kommission hat in ihrem Entwurf für einen Gesundheitsdatenraum kein Widerspruchsrecht für die "Sekundärnutzung" eingeplant. Für das Parlament ein No-Go.
Optionen zur Weiterverarbeitung von Patientendaten für Zwecke jenseits der direkten ärztlichen Versorgung haben sich als Knackpunkt des geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) herauskristallisiert. Die EU-Kommission will mit ihrem Vorschlag die Weiterverwendung von Informationen etwa aus elektronischen Patientenakten "für Forschung, Innovation, Gesundheitswesen, Politikgestaltung und Regulierungszwecke" im großen Stil ermöglichen ("Sekundärnutzung"). Über ein Widerspruchsrecht sollen die Betroffenen daher nicht verfügen. Tomislav Sokol, Berichterstatter der EU-Abgeordneten für den EHDS, hat jetzt klargestellt: "Das ist etwas, das niemals durch das Parlament gehen wird".
Widerspruch gegen Sekundärnutzung der Daten
Sokol schlug in seinem Entwurf für die Position der Volksvertreter eine Opt-out-Regelung vor, um einen automatischen Zugriff etwa durch Pharmakonzerne auf die sensiblen Daten zu verhindern. Patienten könnten damit Widerspruch gegen eine Sekundärnutzung einlegen. Im Mai sprach der Vertreter der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) aber von einer "Herausforderung" in dieser Frage und deutete an, dass der Opt-out-Ansatz möglicherweise nicht zu halten sei. Der Kroate hob allein hervor, "dass ein Kompromiss zwischen den politischen Fraktionen erreicht werden" müsse. Hierzulande will eine Mehrheit der Bürger einen Zugriff auf die E-Patientenakte (ePA) nur mit Zustimmung. Unter anderem die Grünen im EU-Parlament wollen daher eine Freigabe von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke prinzipiell erst nach Einwilligung zulassen.
Ein solches Opt-in führt Sokol zufolge aber zu weit, wie er laut einem Bericht von "Euractiv" auf einer Konferenz der Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS) am Donnerstag in Brüssel betonte. Damit hätten "wir einfach nicht genug Daten", begründete er seine Haltung. Der EHDS würde so "nutzlos". Die Idee dahinter bestehe darin, große Datensätze (Big Data) zu haben, um die Forschung etwa im Bereich seltener Krankheiten zu fördern. Es sei kompliziert, meinte der Verhandlungsführer. Es seien "nicht die medizinischen Fachkräfte, die die Daten nutzen". Vielmehr benötigten diese "Universitäten, die politischen Entscheidungsträger und natürlich die Industrie". Er räumte aber ein, dass dies "immer heikel" sei.
Für Sokol geht es der Meldung zufolge darum, "ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit repräsentativer Datensätze, die tatsächlich nützlich sein können, und dem Schutz der Daten und der Privatsphäre der Patienten zu finden." Die unbequeme Frage dabei sei, wer und in welchem Umfang auf den Datenpool zugreifen könne. "Natürlich sind wir uns einig, dass es um Forschung und Innovation gehen sollte, aber was ist mit den politischen Entscheidungsträgern und in welchem Umfang?" Zudem gebe es im Parlament große Vorbehalte gegen den Zugang zu Gesundheitsdaten von Firmen oder Behörden aus Drittländern. Die Mehrheit der Fraktionen sei dafür, diesen sehr eng zu begrenzen. Die Debatte über Immaterialgüterrechte habe ferner noch nicht einmal begonnen. Hier sind etwa für den Zeitraum klinischer Studien Ausnahmebestimmungen im Gespräch.
(olb)