EU will Politik zum Digital Rights Management neu ausrichten

Die EU-Kommission bastelt an einem einfacheren Lizenzmodell für online verfügbare Inhalte, um Verhandlungsprobleme der Content-Anbieter mit nationalen Verwertungsgesellschaften zu lösen.

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Die EU-Kommission bastelt an einem einfacheren Lizenzmodell für Online-Inhalte, um Verhandlungsprobleme der legalen Content-Anbieter mit nationalen Verwertungsgesellschaften zu lösen. Die momentan in Erwägung gezogenen Optionen erläuterte Tilman Lueder, Leiter der Copyright-Abteilung in der Binnenmarktkommission, am gestrigen Dienstag in einem Workshop der Business Software Alliance (BSA) im EU-Parlament in Brüssel. Demnach besteht der "sanfte Ansatz" in einer Verpflichtung an die Autorenvertretungen, EU-weite Lizenzen zu erteilen. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Situation könnte die Rechteverwertungsgesellschaft GEMA dann etwa nicht mehr ihrem französischen Pendant vorschreiben, die Rechte zum Vertrieb digitaler Songs nur im eigenen Territorium verteilen zu dürfen.

Lueder zog es ferner in Betracht, die räumlichen Grenzen für den digitalen Entertainment-Markt komplett aufzuheben. Jeder Betreiber einer Plattform mit Digital Rights Management (DRM) "wäre dann frei, so viele Rechte wie nur möglich zu erwerben und EU-weit zu lizenzieren", führte der Kommissionsvertreter aus. Ähnlich wie in den USA könnte dann jeder Urheber selbst entscheiden, mit welchem Anbieter er zusammenarbeiten will. Welches Modell tatsächlich zum Zuge kommen soll, ist laut Lueder noch offen. Es gäbe auch nach wie vor Stimmen im eigenen Hause, die sich den Markt von allein entwickeln lassen wollen. Dies scheint Lueder selbst aber bereits ausgeschlossen zu haben: Er berichte darüber, dass etwa ein Webradiobetreiber in allen 25 Mitgliedsstaaten Rechte einzeln zu klären habe. Getroffene Vereinbarungen würden dann aber nur für ein Land gelten. Dies sei auch für die Nutzer ein "Albtraum", da sie auf legalem Wege nicht genügend Inhalte bekämen.

Insgesamt hat sich der Entertainment-Markt im Internet in den USA deutlich schneller und stärker entwickelt als in Europa. "Es gibt eine riesige Kluft bei den Angeboten", erklärte Josiane Morel, Cheflobbyistin von Apple Europe, anhand der Ergebnisse einer noch unveröffentlichten transantlantischen BSA-Studie zur Entwicklung DRM-geschützter Angebote. So belaufe sich der Download-Markt für die USA bereits auf 235 Millionen Euro, während in der EU in diesem Sektor erst 28 Millionen Euro umgesetzt würden. In den nächsten drei Jahren sei gemäß der Untersuchung zwar auch in Europa ein "exponentielles Wachstum" zu erreichen. 1,8 Milliarden Euro Umsatz in den USA würden dann aber immer noch 550 Millionen Euro in der EU gegenüberstehen, wo Großbritannien mit einem Umsatz von 12 Millionen Euro gegenwärtigen den Markt vor Deutschland, Frankreich und Italien anführe. Generell hätten "DRM-Komponenten einigen Erfolg in echten Geschäftsszenarien gefunden", betonte Morel. Die meisten Online-Angebote seien aber nach wie vor nicht kopiergeschützt, sodass der Kampf gegen illegale Downloads immer noch am wichtigsten sei.

Damit sprach die Apple-Gesandte ihrer Kollegin Sylvie Forbin von Vivendi Universal aus dem Herzen. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass mit dem legalen Peer-2-Peer-System Snocap aus der Hand von Napster-Gründer Shawn Fanning eine Art Tauschsystem für die "Super-Distribution" zur Verfügung stehe, dank der Nutzer untereinander Inhalte weiterempfehlen beziehungsweise -- nach erneuter Abrechnung -- auch weitergeben könnten. Das Anbieten noch illegal operierender P2P-Dienste müsste Internetprovidern nun "gerichtlich untersagt werden", forderte Forbin. Schwer im Magen liegen der Vertreterin des Mischkonzerns dagegen die auch in Frankreich laut werdenden Rufe nach der Einführung einer "Kultur-Flatrate" über eine kollektive Rechtefreigabe für Tauschbörsen. "Dies ist eine schwere Bedrohung ", konstatierte Forbin. Sie warnte zudem davor, dass in Frankreich der DVD-Kopierschutz zum Erstellen einer Privatkopie bald aufgehoben werden könnte und damit das DRM-System unterwandert würde. Noch baut die französische Unterhaltungsindustrie aber auf das angerufene Berufungsgericht, das gerade über eine entsprechende Entscheidung einer niederen Instanz verhandelt.

Lucy Cronin, Leiterin des Verbands EDiMA, zu dem sich Online-Musikanbieter dies- und jenseits des Atlantiks zusammengeschlossen haben, forderte dagegen nachdrücklich eine Änderung der Lizenzpraktiken für Netzinhalte. Streng genommen müsste ein Content-Provider in der EU mit 50 Verwertungsgesellschaften verhandeln, da Autoren- und Distributionsrechte von unterschiedlichen Instanzen verwaltet würden. Cronin stellte die Rechnung auf, dass allein dieser Verhandlungsmarathon Kosten in Höhe von 475.000 Euro verursachen würde. Ein Anbieter müsste damit angesichts der aktuellen Preise 4,75 Millionen Stücke verkaufen, bevor überhaupt ans Geldverdienen zu denken sei. Sie forderte die Kommission auf, einen "Markt" mit der freien Wahlmöglichkeit einer Verwertungsgesellschaft zu öffnen. Neben der Lizenzvergabe machte die Cheflobbyistin von HP Europe, Lizanne Scott, ferner noch die "dramatische Expansion" von Vergütungspauschalen aus. Viele Mitgliedsstaaten würden hier schlicht nicht die von der EU-Urheberrechtsrichtlinie verlangte Austarierung der Abgaben mit dem DRM-Markt praktizieren.

Vertreter der Verwertungsgesellschaften oder von Verbraucherorganisationen fehlten auf dem Podium. Die ausgelegten Positionen des Bureau Européen des Union de Consommateurs (BEUC) und des Transatlantic Consumer Dialoge (TACD) fanden aber zumindest am Ende der Veranstaltung reißenden Absatz. Das in den Papieren über DRM gefällte Urteil ist vernichtend: "Diese Technologien haben in jeder Hinsicht im praktischen Einsatz versagt", heißt es. Professionelle Urheberrechtsverletzungen würden nicht gestoppt, da noch jedes DRM-"Schloss" gebrochen worden sei. Die Rechte der normalen Verbraucher seien dagegen "erfolgreich" eingeschränkt worden. Es dürfe nicht so weit kommen, dass die bislang immer bevorzugten Rechtehalter bald auch noch bis ins Detail bestimmen, "wo und wer ein Stück Content nutzen kann". (Stefan Krempl) / (jk)