Elektronische Gesundheitskarte: Ausstieg der Testregion Heilbronn

Frühzeitig zeichnete sich ab, dass die beteiligten Ärzte und Apotheker mit dem System der elektronischen Gesundheitskarte nicht zufrieden waren: Mehr Arbeit ohne zusätzliche Information und ohne höhere Qualität.

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Von
  • Detlef Borchers

In der Testregion Heilbronn werden die Testläufe für die elektronische Gesundheitskarte abgebrochen. Wie die Landesärztekammer Baden-Württemberg in einer Mitteilung erklärt, wird es keinen 10.000er-Test in Heilbronn geben. Als Grund werden geänderte zeitliche Rahmenbedingungen genannt, die von der federführenden Projektgesellschaft Gematik gesetzt wurden und einen ergebnisoffenen Test unmöglich machten. Aber auch die bevorstehende Bundestagswahl spielt eine Rolle beim Austieg im Schwabenland.

Nach den Offline-Tests der elektronischen Gesundheitskarte mit den Anwendungen elektronisches Rezept und Notfalldaten durch 9000 Versicherte, 15 Ärzte, 1 Krankenhaus und 10 Apotheker in Heilbronn sollte im ersten Quartal 2010 der Online-Test mit 10.000 Versicherten starten. Frühzeitig zeichnete sich ab, dass die beteiligten Ärzte mit dem System nicht zufrieden waren. So ergab eine wissenschaftliche Begleituntersuchung der Hochschule Heilbronn, dass teilnehmende Ärzte wie Apotheker eine "negative Haltung" zur Gesundheitskarte entwickelt haben: "Im Mittelpunkt steht dabei die Erfahrung aus den Testmaßnahmen, dass die Arbeitsabläufe länger dauern als mit der bisherigen Krankenversicherungskarte und zumeist als langsam und schwierig, mit mehr Arbeitsschritten, ohne zusätzliche Informationen und ohne höhere Qualität wahrgenommen wurden."

Anfang Juli wurde das Projekt im Rahmen einer Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs diskutiert. Die niedergelassenen Ärzte forderten dabei ihren Vorstand auf, alle Verträge zum Gesunheitskartentest zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Alternativ wurde die Forderung aufgestellt, dass den weiterhin teilnehmenden Medizinern die vollständige Finanzierung der Anschaffungs- und Installationskosten aller Computer und weiteren Geräte garantiert werden sollte. Diese Forderung wurde von Kassenvertretern nach einem Bericht der Heilbronner Stimme als "unzumutbar" abgelehnt.

Der durch die Landesärztekammer verkündete Stopp der 10.000er Online-Tests begründet den Ausstieg mit dem engen Zeitplan der Gematik: Zum ersten Quartal 2010 soll ein Test mit speziellen Testkarten beginnen, während drei Monate später der flächendeckende Rollout der richtigen Karten in der Region kommen soll. So sei kein sinnvoller Test möglich, weil dessen Ergebnisse nicht mehr in die Ausgestaltung der Gesundheitskarte einfließen könnten. Als weiterer wichtiger Faktor wird die Bundestagswahl genannt. Einer "nach der Bundestagswahl absehbaren Neukonzeption der elektronischen Gesundheitskarte" werde man sich nicht verschließen, erklärte Ulrike Wahl, die Präsidentin der Landesärztekammer. Ohne Neukonzeption sei das System nichts anderes als ein verdecktes Wirtschaftsförderungsprogramm zu Lasten von Patienten und Ärzten. (Detlef Borchers) / (jk)