Encrochat: Verfassungsgericht weist Beschwerde gegen Verurteilung erneut zurĂĽck
Das Bundesverfassungsgericht hat trotz Skepsis des EuGH eine Beschwerde gegen eine Haftstrafe verworfen, die auf Grundlage von Encrochat-Daten verhängt wurde.

(Bild: Jeppe Gustafsson/Shutterstock.com)
Daten, die beim Hack des verschlüsselten Kommunikationsdiensts Encrochat in anderen EU-Staaten abgeschöpft wurden, dürfen in Deutschland zur Verfolgung schwerer Straftaten verwertet werden. Dieser Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 1. November prinzipiell erneut angeschlossen. Der 2. Senat des Verfassungsgerichts nahm eine Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung nicht zur Entscheidung an, die sich gegen die Verwertung der von französischen Behörden erhobenen und aufgrund einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) nach Deutschland übermittelten Encrochat-Daten wandte.
Die Eingabe des Verurteilten sei nicht stichhaltig genug, begründen die Karlsruher Richter ihre Entscheidung. Er habe nicht hinreichend dargelegt, dass etwa sein Anhörungsrecht oder seine Grundrechte maßgeblich verletzt worden seien. Zwar sei der EuGH inzwischen in Teilen zu einem anderen Ergebnis gekommen als der BGH, schreibt der 2. Senat. So sei ein Überstellen von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, nur möglich, wenn sie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können. Diese "Abweichung" von der bisherigen Rechtsinterpretation stelle das vom BGH im vorliegenden Fall gefundene Ergebnis aber nicht infrage.
"Abfangtool" per "Ferninjektion" bei Encrochat eingebracht
Das Landgericht Hamburg hatte den überwiegend geständigen Beschwerdeführer wegen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er hatte zum Erwerb und zum Verkauf der Drogen ein verschlüsseltes Encrochat-Handy genutzt. Das Landgericht habe die Beweisführung teilweise maßgeblich auf die Auswertung der nach dem Knacken des Dienstes verfügbaren Daten gestützt. Diese gingen zurück auf Ermittlungen französischer Behörden im Frühjahr 2020. Europol transferierte die Informationen über die Generalstaatsanwaltschaft an die in Deutschland regional zuständigen Strafverfolgungsbehörden.
Der Beschwerdeführer sei seiner Pflicht nicht nachgekommen, seine Eingabe an das EuGH-Urteil anzupassen, monieren die Verfassungsrichter nun. In der Sache hätte dies aber auch nicht viel geändert. Die noch offene Frage, ob die von den französischen Behörden durchgeführte, in der EEA-Richtlinie nicht ausdrücklich genannte Maßnahme des Abschöpfens sämtlicher über einen Server laufender Kommunikationsverkehre Gegenstand einer einschlägigen Anordnung sein dürfe, sei für den Fall nicht ausschlaggebend gewesen. Die französischen Ermittler hätten dazu per "Ferninjektion" ein "Abfangtool eingebracht", verraten die Karlsruher Richter noch. Strafverfolger verhafteten nach der Encrochat-Unterwanderung tausende Menschen in ganz Europa. Kritiker bemängeln, dass dies auf Basis zumindest fragwürdiger Beweise und Verfahren geschehen sei. Das Bundesverfassungsgericht nahm aber auch schon voriges Jahr andere entsprechende Beschwerden nicht an.
(vbr)