Energiesparen: Japan erwägt Eingriff auf private elektrische Geräte
Nicht nur Deutschland kämpft mit Stromengpässen im Winter. Auch Japan fordert die Einwohner zum Sparen auf – und denkt jetzt noch einen Schritt weiter.
- Martin Kölling
Bisher setzte Japan bei der Regelung der Stromnachfrage auf den Markt und gute Worte. Im Sommer reichte die Bitte zum Stromsparen an Firmen und Familien noch aus, während einer Hitzewelle Stromausfälle abzuwenden. Für die Zukunft will sich das Wirtschaftsministerium womöglich nicht mehr auf den guten Willen der Menschen verlassen: Stromversorger sollen in Zukunft bei Stromengpässen über das Internet direkt den Betrieb von häuslichen Stromfressern wie Klimaanlagen senken können. Diese Idee diskutiert wenigstens der Unterausschuss für Energieeffizienz und Stromeinsparungen des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie (Meti).
Der Vorschlag wurde Anfang November vorgelegt, nur einen Tag nach einem Appell der Regierung an die Bevölkerung, im Winter wie schon im Sommer Elektrizität zu sparen. Es ist das erste Mal seit sieben Jahren, dass im Winter diese Bitte erfolgt, untermauert mit einem Belohnungssystem für Stromsparfüchse. Denn viele Japaner heizen ihre Wohnungen mit Klimaanlagen, die im Schnitt ein Drittel des heimischen Stromverbrauchs ausmachen.
Ziel: Stromversorgungssystem stabilisieren
Dies ist allerdings nur eine Regelung gegen akute Engpässe, die durch Probleme bei der Gasversorgung ausgelöst werden könnten. Flüssiggas spielt auch in Japan eine große Rolle bei der Stromversorgung. Doch seit Europa nun auf der Suche nach Alternativen zu russischem Erdgas auch die globalen Lieferquellen für verflüssigtes und per Schiff transportiertem Gas anzapft, wird der Weltmarkt eng und anfällig für erneute Störungen wie jüngst Erdrutsche in Malaysia oder Brände in amerikanischen Flüssiggasanlagen.
Mittel- und langfristig sorgen sich die Experten und Berater des Meti allerdings um den wachsenden Anteil an Sonnen- und Windkraftanlagen, deren Stromproduktion stärker schwankt. Damit "werden nicht nur Maßnahmen auf der Angebots-, sondern auch auf der Nachfrageseite wichtig, um das Stromsystem zu stabilisieren", heißt es in der Diskussionsvorlage.
Dabei wollen die Planer bei beispielsweise Klimaanlagen und Wasserboilern Funktionen flächendeckend durchsetzen, die es schon gibt. So sind beispielsweise einige Klimaanlagen mit einer Funktion ausgestattet, die die Leistung automatisch unterdrückt, wenn die Netzfrequenz sinkt. Außerdem verbreiten sich Geräte, die über das Internet gesteuert werden können.
Über die Zugänge könnten dann künftig Stromversorger zum Beispiel bei hoher Belastung des Netzes die Kühl- oder Wärmeleistung von heimischen Klimaanlagen beeinflussen. So können dann Verbrauchsspitzen ausgeglichen und Stromausfälle vermieden werden. Auch über positive Nachfrageregelung wird nachgedacht, zum Beispiel die Steuerung von Akku-Ladevorgängen, die dann zu sonnen- oder windreichen Zeiten erhöht werden könnten, so dass die Produktionsspitzen nicht verpuffen.
Industriepolitik durch die "Fernbedienung" für Klimaanlagen
Als Vorbild schauen die Planer dabei nach Australien, wo diese Form der Nachfrageregelung im Eigenheim schon teilweise umgesetzt wird. So bieten Stromversorger Kunden, die über Smart Meter verfügen, diese Funktion im Tausch gegen Vergünstigungen an. Wer will, kann aus dem Programm aussteigen.
Auch in Japan wird eine freiwillige Teilnahme anvisiert. Den Herstellern soll allerdings mit dem "Top-Runner-Programm" Druck gemacht werden, die Fernbedienung der Klimaanlage zum Standard in allen Modellen zu machen. In dem Programm legen die Spitzenmodelle einer Generation die Norm vor, die die Geräte der nächsten Generation im Schnitt erfüllen müssen.
Neben dem Stromsparen wollen die Planer allerdings mit der direkten Nachfragelenkung auch Industriepolitik betreiben. "Wenn Japan darüber hinaus die Führung bei der Festlegung von Regeln und der technologischen Entwicklung in diesem Bereich übernehmen kann, kann dies zu einer verbesserten industriellen Wettbewerbsfähigkeit führen", meinen die Mitglieder des Ausschusses.
(jle)