Engpass: Warum sich vor Spaniens Küste die LNG-Schiffe stauen

Europa sucht händeringend nach Alternativen zu russischem Gas. Derweil liegen vor Spanien etliche Flüssiggas-Schiffe auf Reede und können nicht entladen werden.

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Ein LNG-Schiff von oben

(Bild: Aerial-motion / Shutterstock.com)

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Vor der Küste Spaniens und in europäischen Gewässern liegen laut einem Medienbericht aktuell mehr als 35 mit Flüssigerdgas (LNG) beladene Schiffe auf Reede und können nicht entladen werden. Das Gas, das angesichts der Energiekrise auf dem Kontinent dringend benötigt wird, kann offenbar unter anderem wegen fehlender Infrastruktur aktuell zum Beispiel nicht nach Deutschland transportiert werden, wo es helfen könnte, unabhängiger von russischem Gas zu werden.

Aktuell seien 2,5 Millionen Tonnen Flüssigerdgas in "schwimmenden Lagern" gebunden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Händler und Analysten. Spanien verfügt aktuell mit sechs LNG-Terminals europaweit über die meisten Anlagen zur Regasifizierung des minus 160 Grad kalten Flüssiggases und ist damit das bevorzugte Ziel der LNG-Tanker. Ein Drittel der Anlagen befänden sich dort. Hinzu kämen 44 Prozent der Lagerkapazität für LNG.

In Deutschland werden aktuell in mehreren deutschen Häfen LNG-Terminals errichtet, in der Regel mittels einer schwimmenden Anlage zur Regasifizierung. Bauprojekte laufen unter anderem in Wilhelmshaven, in Brunsbrüttel, in Stade und in Lubmin. Die ersten Terminals werden aber frühestens Ende des Jahres in Betrieb gehen, einige auch erst im Laufe oder Ende 2023.

Grund für den Stau in Spanien sei eine Überlastung der Regasifizierungsanlagen. Der spanische Gasnetzbetreiber Enagás spricht von einer "außergewöhnlichen Betriebssituation", in der er möglicherweise LNG-Lieferungen ablehnen müsse. Die Situation werde mindestens bis zur ersten Novemberwoche anhalten. Zudem wird befürchtet, dass sich die Transporteure andere Ziele außerhalb Europas suchen könnten oder lieber bis November/Dezember abwarten, um ihre Verluste durch die Wartezeit durch höhere Preise auszugleichen.

Fehlende Terminals, nicht ausreichend dimensionierte Pipelines von Spanien in den Rest Europas sowie eine aufgrund der wirtschaftlichen Lage nachlassende industrielle Nachfrage nach Gas führten zu den Engpässen, heißt es. Zudem sei es in Spanien für die Jahreszeit ungewöhnlich warm, sodass der Inlandsverbrauch ebenfalls zurückgegangen ist.

Die LNG-Transporteure hätten wenig Zeitdruck, da die Nachfrage im Winter tendenziell eher steigen wird. Zudem gebe es derzeit weniger für sie zu transportieren, da eine große LNG-Anlage in Freeport in den USA nach einer Explosion und einem Brand ihren Betrieb einstellen musste und China seine Exporte gestoppt hat, um den eigenen Bedarf an Gas zu decken.

Um die Gas-Transporte innerhalb Europas zu verbessern, gibt es Gespräche über eine weitere Pipeline zwischen Spanien und Frankreich namens MidCat. Die insgesamt dritte Verbindung zwischen den beiden Ländern stößt in Frankreich auf Ablehnung. Neben den Regierungen Portugals und Spaniens ist aber auch Deutschland sehr daran interessiert, dass diese gebaut wird. Aus diesem Grunde ist ein Treffen der Regierungschefs der vier Länder geplant, um eine Einigung zu erzielen. Die Rohrverbindung solle künftig auch Wasserstoff transportieren können. Frankreich denkt Medienberichten zufolge aber aktuell darüber nach, die Gespräche zu verschieben.

(mki)