Entscheidende Runde über EU-Telecom-Regulierung und Internetsperren steht bevor

Kommenden Dienstag wollen EU-Abgeordnete mit Vertretern der Kommission und des Rats versuchen, im sogenannten Trilog-Verfahren eine gemeinsame Linie zur Novellierung des EU-Telecom-Pakets auszuhandeln.

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Kommenden Dienstag wollen EU-Abgeordnete mit Vertretern der Kommission und des Rats versuchen, im sogenannten Trilog-Verfahren eine gemeinsame Linie zur heftig umkämpften Novellierung des EU-Telecom-Pakets auszuhandeln. Die hauptsächlichen Streitpunkte sind laut Helga Trüpel, grüne Vizechefin des Kulturausschusses im EU-Parlament, der mögliche Einschluss von Verfahren einer "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverstöße, die Frequenzpolitik und die Kompetenzen der Kommission beziehungsweise der nationalen Regulierer. Ob in der abendlichen Runde eine Einigung zu erzielen sei, mit der eine gesonderte 2. Lesung des umfangreichen Vorhabens durch die Volksvertreter unnötig würde, wagte Trüpel noch nicht vorherzusagen.

Die Grünen hatten sich bei einer Anhörung am gestrigen Mittwoch zum Thema "Who wants to control the internet?" argumentative Unterstützung von Wissenschaftlern, Verbraucherschützern, Computer- und Internetkonzernen wie IBM oder Google sowie Open-Source-Programmierern für ihre Haltung geholt, Eingriffe in die Rechte und Freiheiten der Endnutzer nur nach Einschaltung der Justizbehörden zuzulassen. "Dafür brauchen wir ein rechtsstaatlichen Verfahren", drängte Trüpel gegenüber heise online für die Wiedereinführung des Änderungsantrags 138 des EU-Parlaments an der Rahmenrichtlinie zur Regulierung des Telekommunikationsmarkts. Der EU-Rat hatte diese Passage Ende November aus seiner Position gestrichen. Trüpel erteilte dem Aufsetzen eines "3-Strikes"-Verfahrens, wie es derzeit in Frankreich diskutiert wird, mit dem Kappen von Internetverbindungen nach wiederholten Urheberrechtsverletzungen und der Errichtung einer gesonderten Kontrollbehörde aber eine klare Absage.

Bei der Neuaufteilung des Frequenzspektrums und der Vergabe einer "digitalen Dividende", die durch die Abschaltung des analogen Fernsehens entsteht, setzen sich die Grünen dafür ein, dass die begehrten Funklizenzen nicht auf dem freien Markt gehandelt werden dürfen. Vor allem die Kommission fährt hier aber auf entgegengesetztem Kurs. Weit auseinander liegen die Vorstellungen auch für eine übergeordnete EU-Regulierungsinstanz. Den "Super-Regulierer" aus dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission hatte das Parlament bereits in ein mit weniger Rechten ausgestattetes Gremium der Europäischen Regulierungsbehörden für Telekommunikation (BERT) umgewandelt. Der Rat will, dass die bestehenden Regulierer nur in einer gemeinsamen Gruppe mit dem Titel GERT (Group of European Regulators in Telecoms) kooperieren. Die Kommission pocht derweil auf ein eigenes Veto-Recht in dem wie auch immer bezeichneten Gremium, um den gemeinsamen TK-Markt zu stärken.

Bis nächste Woche laufen die Lobbybemühungen aller Seiten auf Hochtouren. Auch US-Konzerne wie AT&T oder Google werfen dabei ihre Hüte in den Ring im Streit um eine mögliche Festschreibung des offenen Prinzips des Internets. Während der Telecomriese hier gemeinsam mit der Koalition NetConfidence "vernünftige Nutzungseinschränkungen und Preisunterschiede" einführen dürfen will sowie keine Vorschriften zur Einhaltung der Netzneutralität wünscht, gilt Google seit Langem als Verfechter solcher gesetzlichen Regelungen. Offenbar setzen beide Unternehmen darauf, dass es am Dienstag noch nicht zu endgültigen Verabredungen über das Telecom-Paket kommt. Zumindest haben sie ihren Showdown über künftige Perspektiven der Netzneutralität erst für Donnerstag in einer Woche angesetzt. Unterdessen läuft die Debatte über Internetsperren und den Einsatz von Filtern zur Bekämpfung illegaler Download-Aktivitäten im EU-Parlament auch in der Auseinandersetzung über den Medina-Bericht weiter. (Stefan Krempl) / (anw)