Entscheidungen in Zeiten des Internets: "Es braucht den Mut zum Scheitern"

Seite 2: Die Rolle der Erfahrungen

Inhaltsverzeichnis

Welche Rolle spielen bei Entscheidungen Gewohnheit und Vernunft?

Gewohnheiten gehören zu den unbewussten Entscheidungen, nur etwa jede fünfte Entscheidung ist rationell begründet und damit aus der Vernunft geboren. Das will unsere Gesellschaft aber nicht gerne hören.

Interessant ist die Neigung des Menschen, alle seine Entscheidungen im Nachhinein vernünftig zu begründen, auch wenn sie unbewusst abliefen. Dabei geschieht das in der Tiefe unseres Gehirns aus Gründen, die dem Entscheider letztendlich verborgen bleiben.

Wie wählt unser Gehirn zwischen unterschiedlichen Optionen aus?

Welche neurologischen Prozesse dabei ablaufen, daran wird noch geforscht. Den Prozess einer Entscheidung kann man sich wie eine Debatte im Bundestag vorstellen, bei der unterschiedliche Parteien mitsprechen. Darunter die Vernunft-, Emotions-, Erfahrungs- und Gewohnheitspartei. Jede wetteifert wortgewaltig um die eigene Position. Diese Debatte findet in unserem Gehirn unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wir bekommen also gar nicht unbedingt mit, wie der Wettstreit tief in unserem Inneren abläuft.

Ist das Bauchgefühl die richtige Wahl bei einer Entscheidung, wenn es um Schmetterlinge darin geht? Oder kann der Bauch auch vernünftig sein?

Bei einer Intuition, umgangssprachlich auch Bauchgefühl genannt, wird im Gehirn eine früher gemachte Erfahrung reaktiviert. Deshalb kann man in neuen Situationen nicht intuitiv entscheiden. Intuition speist sich aus Erfahrung. Je mehr Erfahrung wir haben, desto mehr intuitives Gespür entwickeln wir für bestimmte Situationen. Was sich für uns stimmig und richtig anfühlt, sagt uns nicht das Internet, sondern vor allem die Summe all unserer Erfahrungen.

Reichhaltige Erfahrung in einem Gebiet kann zu einer beruflichen Expertise führen. Eine Kompetenz in einem Job, sei es Schreiner, Förster, Graphiker oder Lehrer wird ausschließlich durch persönliche Erfahrungen aufgebaut, nicht durch das Lesen von Informationen im Internet. Übrigens: sogenannte Bauchentscheidungen finden wie Vernunftentscheidungen im Gehirn statt.

Wie entscheidet man am besten?

Indem Sie Kopf und Bauch kombinieren. Sie sollten sich bei wichtigen bevorstehenden Entscheidungen natürlich Fakten und Informationen besorgen, diese aber auch mit Ihren Erfahrungen, Ihren Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen abgleichen. Nur dann fühlen sich Entscheidungen gut an und sind nachhaltig.

Darüber hinaus ist es wichtig sich immer mit dem Ergebnis einer Entscheidung im Nachhinein auseinandersetzen. War es richtig so? Kam es anders als erwartet? Was lerne ich daraus? Auf diese Weise verbessert man seine Intuition und erhöht die Wahrscheinlichkeit für treffsichere Entscheidungen in der Zukunft.

Das Interview führte Peter Ilg (mho)