Er machte Musik tragbar: Zum Tode von Lou Ottens, Erfinder der Kompaktkassette

Seite 2: Weltpremiere der Kompaktkassette auf der IFA 1963

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Auf der IFA 1963 stellte Philips den EL 3300 als tragbaren Kassettenplayer vor, inklusive der Compact Cassette als passenden Datenträger. Bereits auf der Messe fiel ihnen auf, dass besonders Besucher der japanischen Konkurrenz ein reges Interesse für die Marktneuheit zeigten.

Um möglichen Plagiaten und ähnlichen Systemen zuvorzukommen, beschloss Philips sich einen erfahrenen asiatischen Hersteller ins Boot zu holen, was mit Sony auch gelang. So hatten sie einen Mitspieler mit Marktmacht auf ihre Seite gezogen, der zudem auf dem japanischen Markt aktiv war.

Und die Strategie trug Früchte: Sie waren nicht nur die Ersten auf dem Markt, sondern das Compact Cassette-System setzte sich durch, auch zum Leidwesen von Grundig, die 1965 ein Konkurrenzsystem auf den Markt brachten, welches sie bereits 1967 wieder einstampften – aus Erfolglosigkeit. Mit der Zeit verbesserte sich durch neue Bandbeschichtungen auch die Klangqualität und der Siegeszug der Kassette nahm Fahrt auf.

Der von Ottens entwickelte Philips EL 3300 Kompaktkassettenspieler. Er wurde auf der IFA 1963 vorgestellt.

Ab 1972 entwickelte Ottens als Chef im NatLab (Natuurkundig Laboratorium) – das wissenschaftliche Forschungslaboratorium des Philips-Konzerns in Eindhoven – ein Nachfolgeprojekt mit dem Arbeitstitel ALP (Audio Long Play). Zunächst in einem Kleinprojekt als Ergänzung der Parallelentwicklung VLP (Video Long Play) gedacht, überzeugte Ottens Konzept die Philips-Konzernspitze, die im November 1977 grünes Licht für den Status als offizielle Produktentwicklung gab. Das System, welches später den Namen Compact Disc erhielt, wurde zudem als ernsthafter Nachfolger der Schallplatte positioniert, deren Prinzip seit knapp einem Jahrhundert (bis auf einige technische Anpassungen) weitgehend unverändert blieb.

Lou Ottens Gesetzmäßigkeiten des technischen Fortschritts

Ein neues Produkt wird in der Lage sein, einen bisher etablierten Standard zu verdrängen, wenn er mindestens zwei der folgenden fünf Bedingungen erfüllt:

  1. Miniaturisierung (z. B. Verkleinerung eines Produkts oder einer maßgeblichen Komponente)
  2. Wesentliche Verringerung des Energieverbrauchs (Unabhängigkeit vom Stromversorgungsnetz)
  3. Einfachere Bedienung (z. B. Vom komplizierten Computersystem zum intuitiven Touchbedinung.)
  4. Steigerung der Leistungsfähigkeit (z.B. verbesserte Tonqualität der CD)
  5. Günstigerer Preis (z. B. höhere Erschwinglichkeit durch technischen Fortschritt)

Eine Zusammenfassung, deren Punkte heutzutage sicherlich selbstverständlich klingen, die damals aber sehr modern und gewiss nicht die Regel waren.

Und wieder suchte Philips in Fernost nach einem Partner. Und während einer Vorführung wurde Lou Ottens bewusst, dass sein System wirklich das Zeug zum Erfolg hat: Konosuke Matsushita, der Seniorchef des gleichnamigen Konzerns war während der Demonstration der Klangqualität vornehm zurückhaltend. Als er jedoch die kleine Scheibe aus dem Laufwerk entnahm, stieß er ein überraschtes "Tsssssssss!" aus. Eine Musik dieser Qualität, gespeichert auf einer 12 Zentimeter großen Scheibe, verblüffte ihn dermaßen, dass er das nicht verbergen konnte. Ein Zeichen von Emotion, welches Ottens so noch nie von japanischen Geschäftsleuten vernahm.