Erfahrungswerte: Leben ohne Rucksack – mit der Powershot S90

Seite 2: PowerShot S90 in der Praxis

Inhaltsverzeichnis

Erster Einsatz der S90 außerhalb unseres Test-Studios: Dokumentierende Architekturfotografie an unterkellerten Reihenhäusern im Zuge einer Wohnungssuche. Im Vergleich zu 35 mm Anfangsbrennweite kommt man mit deutlich weniger Bildern aus, zudem sind die Fotos aussagekräftiger, weil man sie nicht im Kopf zusammenrechnen muss. Die leichte kissenförmige Verzeichnung beult Fenster- und Türrahmen allerdings doch sichtbar aus. Bei normal einfallendem Tageslicht kann die S90 noch auf den Blitz verzichten. Die Bilder sind von einer erstaunlichen Detailfülle, in der Totalen kann man sogar noch schlecht verleimte Laminat-Fugen entdecken.

Zweiter Einsatz: Geburtstag eines Arbeitskollegen, gedämpftes Glühlampenlicht, weniger gedämpfte Stimmung. Wenn man Sprech- und Gestikulationspausen der Motive nutzt, geht auch hier einiges ohne Blitz. Canon hat es aber auch erstaunlich gut drauf, das Blitzlicht in die natürliche Motivhelligkeit zu integrieren. Gute Sache. Bei meinem letzten Praxistest mit einer Kodak-Kompakten gab es beim Blitzlichteinsatz auf einer Party nur Gesichter zu sehen, der Hintergrund verschwand völlig in der Finsternis. Wiederum unnötig ist das (dezent motorisch ausfahrende) Blitzlämpchen während der terminalen Phase einer privaten Party, bei der üblicherweise die Küche das Epizentrum bildet.

S90-Praxis: Konzert (3 Bilder)

PowerShot S90

Trotz schlechter Lichtverhältnisse liefert die S90 ansehnliche Bilder - solange man nicht allzu sehr in den Telebereich zoomt. Hier 1000 ISO, 1/20s bei 35 mm und Blende f/2,5.

Dritter Einsatz: Konzert der begnadeten Deep-Purple-Coverer Demon's Eye in der schummrigen Bluesgarage, Isernhagen. Die PAR64-Spots hier haben schon bessere Tage gesehen, die Lichtqualität ist vom Typ Schreibtischlampe, nur in bunt. In der ersten Reihe fuchteln die Konzertfotografen mit ihren dicken Spiegelreflexen und blitzen um die Wette. Mit der kleinen PowerShot bin ich natürlich nicht wichtig genug und muss überkopf am langen Arm knipsen. Das Display ist zwar nicht schwenkbar, erleichtert aber durch seinen großen Einblickwinkel das Zielen. Etwas enttäuscht war ich über die geringe Serienbildrate, auch die Zwangspause zwischen "normalen" Aufnahmen ist bestenfalls Mittelmaß. Der recht zügige Autofokus arbeitet in allen Brennweitenbereichen präzise und benötigt nur wenig Licht.

Im Hochformat gehalten, verfehle ich des Öfteren den Auslöser und verstelle zweimal ungewollt den ansonsten ganz praktischen Drehring um die Vierwege-Wippe, der aber in dieser Situation entschieden zu leichtgängig ist. Trotzdem gelingen ganz ansehnliche Fotos auch ohne Blitz. Meine Videoaufnahmen waren allerdings von zweifelhafter Qualität: Bei Jon Lords Hammond-Intro zu "Child in Time" kam das eingebaute Mikrofon noch gut mit, das Crescendo aus Grummel-Bass, bratendem Full Stack und zwei Leslies am Anschlag überfordert die Kamera dann aber doch. Auch die Bildqualität der fleckig verrauschten Clips würde kaum für YouTube reichen. Die Videofunktion bietet nur VGA-Videoclips ohne bedienbaren Zoom und AF, aber einen sehr guten Ton - solange es nicht zu laut wird.

Das regressive Prinzip "weniger Pixel auf gleich großem Sensor" (hier ein 1/1,7"-Typ) ist zwar nicht neu, in Anbetracht der nur langsam abebbenden Megapixel-Manie aber doch in gewisser Weise revolutionär. Panasonic hatte bereits mit der gut beleumundeten Lumix LX3 gezeigt, dass solvente, aufgeklärte Kunden durchaus nicht immer zu Kameras mit übertriebenen Pixelzahlen greifen. Mit 10 Megapixeln Auflösung bei den Spitzenmodellen im Kompaktsegment setzt nun auch der Marktführer ein durchaus mutiges Zeichen gegen den MP-Wahnsinn, der sich noch bei den Vorjahresmodellen bis auf schwindelerregende (und fotografisch fragwürdige) 14 Megapixel aufgeschaukelt hatte. Eines nämlich habe ich bei der S90 nie vermisst: Mehr Megapixel. (cm)