Erfahrungswerte: Leben ohne Rucksack – mit der Powershot S90

Unter der Reihe "Erfahrungswerte" finden Sie ganz persönliche Ansichten von Foto-Profis zu aktuellen Kameras – mit dem Schwerpunkt auf die praktische Anwendung, weniger auf Messwerte und Testergebnisse. Diesmal an der Reihe: Die Kompaktkamera Canon PowerShot S90.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Carsten Meyer
Inhaltsverzeichnis

Wenn sie sich über den merkwürdigen Titel gewundert haben, hier die Erklärung: Ohne Kamera unterwegs zu sein, ist für mich ein Unding. Selbst zum Einkaufen schleppe ich gemeinhin einen Rucksack samt Spiegelreflex mit mir herum – ich könnte ja eine unwiederbringliche Gelegenheit für den Jahrhundert-Schnappschuss verpassen. Man muss allerdings dazu sagen, dass ich zur Spezies der Turnbeutel-Vergesser gehöre und der Rucksack samt Kamera schon des Öfteren ein Opfer meiner mentalen Inkontinenz geworden ist. Wie gut, dass ihn alle Freunde kennen und ihn mir hinterhertragen, wenn er mal wieder in irgendeiner Garderobe liegenblieb.

In den letzten Tagen sah man mich zur allgemeinen Verwunderung immer öfter ohne. Schuld ist nicht die nachlassende Zuverlässigkeit der alten Nikon D70, die immer mal wieder grundlos Speicherkarten verweigert und wertvolles Bildmaterial überformatieren möchte. Canon ist schuld.

Seit dem spektakulären Tod meiner ergrauten Olympus C-4040, die nach Überrollen durch eine Pistenraupe ihren Verletzungen erlag, war ich auf der Suche nach einer lichtstarken, rauscharmen Kompaktkamera, um nicht immer besagten Rucksack mitführen zu müssen. Heute sind die Hosentaschen kleiner als früher, ein Kaliber vom Schlage der PowerShot G11, das bestenfalls noch in Beinkleidern der Hiphop-affinen Vorstadtjugend Platz findet, käme für mich nicht in Frage. Durch großzügiges Auslegen der Testgeräte-Rücksendetermine kam ich nun zwei Wochen lang zu einer PowerShot S90 .

Schade, dass ich sie jetzt zurückgeben muss – das Ding machte mir von Anfang an Freude. Schon das gut entspiegelte Display ist eine Pracht: Auf 3 Zoll Diagonale verteilte 461.000 Subpixel stehen für etwa halbe VGA-Auflösung, feiner muss es für einen akkomodationsträgen Endvierziger gar nicht sein. Die doppelte Pixelzahl gegenüber den Kompaktkamera-üblichen QVGA-Displays ist ein Meilenstein. Auf der glänzenden Oberfläche des Monitors sieht man allerdings jeden Fingerabdruck. Aufgeräumt und nüchtern geben sich die Kamera-Menüs, die an die Spiegelreflexen des Hauses erinnern. Auch hier wird deutlich, dass sich Canons S90 an den ernsthaften Anwender richtet.

Die Kamera bietet eine sehr gute Anfassqualität, da wackeln weder Objektivtubus noch Batteriefachdeckel. Der geriffelte Ring um das Objektiv rastet leider etwas grob und lässt, auf die Zoom-Funktion geschaltet, nur fünf feste Brennweitenstellungen zu. Die beginnen bei innenraum- und partyfreundlichen 28 mm mit der ungewöhnlich hohen Lichtstärke von f/2,0 -- das kommt der alten C-4040 schon recht nahe, obwohl die erst bei umgerechnet 35 mm Brennweite begann. Die Lichtstärke sinkt mit zunehmender Brennweiteneinstellung allerdings rapide ab, bei 105 mm liefert die S90 nur noch f/4,9. Da gab meine Olympus noch ganz beachtliche f/2,6 her, aber die war im Vergleich zur PowerShot doch ein ganz schön dicker Brocken. Nebenbei bemerkt: Schon erstaunlich, was vor neun Jahren noch als "Kompaktkamera" galt.

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