Ermittlungen gegen YouTube wegen Kindesgefährdung

Die US-Handelsaufsicht ermittelt gegen YouTube, weil es viele minderjährige Nutzer hat und sie trackt. Das ist selbst in den USA nicht unbedingt astrein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen
Wie viel Technologie ist fĂĽr Kinder gut?

Die Federal Trade Commission (nicht im Bild) denkt jetzt an die Kinder.

(Bild: dpa, Boris Roessler)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

YouTube hat Probleme mit dem Kinderschutz. Seit Jahren beschweren sich Verbraucherschützer über Googles Videodienst, weil er Kinder tracke und ihnen unpassende Videos empfehle. Letzteres soll auch in der Kinderversion YouTubes vorkommen. Nun ist durchgesickert, dass die US-Handelsbehörde FTC (Federal Trade Commission) gegen YouTube ermittelt und das Verfahren bereits weit gediehen ist.

Damit, so die Washington Post, drohe YouTube eine saftige Strafe und womöglich eine Verpflichtung zu Änderungen der Geschäftspraxis. Das habe YouTube-intern Diskussionen ausgelöst. Die Ideen reichen demnach von möglichen Änderungen bei Videoempfehlungs-Algorithmen bis zur Verbannung von Inhalten, die Kinder anlocken.

Solche Videos wären der Idee zufolge nur noch über YouTubes Kinder-App abrufbar, ohne Werbung, ohne Autoplay und ohne Empfehlung weiterer Videos. Weil das aber kein Geschäftsmodell ist, erscheint diese Lösung wenig wahrscheinlich. Weder die FTC noch Google haben die Ermittlungen bestätigt.

Im Zentrum der Diskussion steht das US-Bundesgesetz COPPA (Children’s Online Privacy Protection), das ein Datenschutzgesetz speziell für Kinder (definiert als Personen unter 13 Jahren) ist. Es erlaubt zwar kontext-orientierte Reklame, verbietet aber Werbung, die sich am Verhalten der Kinder orientiert. Daher wird das Sammeln personenbezogener Daten untersagt, wenn sich damit Kind, Gerät oder Konto wiedererkennen lassen und die Erziehungsberechtigten nicht im Voraus verifizierbar zugestimmt haben.

Allerdings war COPPA lange Jahre weitgehend totes Recht, weil die neugierigen Unternehmen eine Ausrede parat hatten: "Unser Dienst richtet sich nicht an Personen unter 13, daher betrifft uns COPPA nicht." YouTubes US-Nutzungsbedingungen versuchen das so abzuhandeln: "Wenn Du unter 13 bist, nutze unseren Dienst bitte nicht. Es gibt viele andere tolle Webseiten für Dich. Sprich mit Deinen Eltern, welche Seiten für Dich passen." Tatsächlich ist YouTube der vielleicht beliebteste US-Onlinedienst für Kinder.

Im Februar hat die FTC ein Zeichen gesetzt und diese Ausrede nicht mehr gelten lassen. Der Betreiber der Lip-Sync-App Musical.ly musste in den USA eine Strafe von 5,7 Millionen US-Dollar (5 Millionen Euro) zahlen. Die Firma hatte offenbar systematisch den US-Datenschutz für Kinder links liegen lassen, obwohl sie wusste, dass ein signifikanter Prozentsatz der User unter 13 Jahre alt war. Es ist die bislang höchste COPPA-Strafe.

"Die Betreiber von Musical.ly – inzwischen als TikTok bekannt – wussten, dass viele Kinder die App nutzten, haben aber dennoch dabei versagt, vor dem Sammeln von Namen, E-Mail-Adressen und anderen persönlichen Daten von Nutzern unter 13 Jahren die Zustimmung der Eltern einzuholen", sagte FTC-Vorsitzender Joe Simons damals, "Diese Rekordstrafe sollte eine Erinnerung an alle Online-Dienstleister und Webseiten sein, die sich an Kinder richten. Wir nehmen die Durchsetzung von COPPA sehr ernst, und wir werden Firmen nicht tolerieren, die das Gesetz schamlos ignorieren."

Irwin Reyes und Primal Wijesekera vom Team der Appcensus-Forscher

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

YouTube ist in Sachen Kinderschutz nicht gänzlich untätig geblieben. Kinder dürfen Livestreams inzwischen nur noch kreieren, wenn ein Erwachsener im Bild ist. Und um Kinder vor sexualisierten Kommentaren zu schützen, gibt es bei Videos, die Kinder zeigen, grundsätzlich keine Kommentarmöglichkeit mehr. Doch wie bei vielen anderen Onlinediensten auch bleibt das Problem des Trackings von Usern im Wissen, dass sich darunter viele Kinder befinden.

Viele Betreiber versuchen es gar nicht erst. Selbst Kinder-Apps pfeifen auf den US-Datenschutz, wie der Appcensus voriges Jahr aufgedeckt hat. Von tausenden Android-Apps, die Google ausdrĂĽcklich als fĂĽr Kinder geeignet gekennzeichnet hat, ĂĽbertrugen drei Viertel sensible, personenbezogene Daten ĂĽber das Internet. Google ist ĂĽber die Ergebnisse des Appcensus informiert. (ds)