Etikettenschwindel bei Hightech-Kraftwerken

Trotz der immer dringlicher werdenden Diskussion um die Klimaveränderung wird Kohle wahrscheinlich zukünftig einen wachsenden Anteil der Energieproduktion übernehmen.

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Trotz der immer dringlicher werdenden Diskussion um die Klimaveränderung wird Kohle wahrscheinlich zukünftig einen wachsenden Anteil der weltweiten Energieproduktion übernehmen. Das berichtet Technology Review im zweiten Teil einer Serie zur zukünftigen Energieversorgung in seiner aktuellen Ausgabe (seit dem 23.11. im Handel oder hier portokostenfrei online zu bestellen).

Auch so genannte CO2-freie Kraftwerke werden nur zum Teil zur Entschärfung des Problems beitragen: Im Prinzip wäre es möglich, bis zu 99 Prozent des bei der Verbrennung von Kohle anfallenden CO2 abzuscheiden. Aber: "Das wäre zu teuer", sagt RWE-Forschungschef Johannes Heithoff, "wirtschaftlich sinnvoll sind 90 bis 95 Prozent." Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie geht in seiner Ökobilanz-Analyse sogar nur von einem Abscheidegrad von 88 Prozent aus. "Netto hätte man dann noch eine Treibhausgas- Reduktion von 65 Prozent", erklärt Dietmar Schüwer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe "Zukünftige Energie- und Mobilitätsstruktur" des Instituts – "das liegt an dem höheren Energieaufwand sowie an den zusätzlichen Methanemissionen, die entstehen, weil man für den höheren Energiebedarf mehr Steinkohle abbauen muss. Insofern sollte man von einem CO2-armen Kraftwerk sprechen."

Neben der Verfügbarkeit spricht für Kohle vor allem ihr relativ niedriger Preis: Eine Tonne Steinkohle guter Qualität kostet auf dem Weltmarkt etwa 100 Euro und kann rund 30 Gigajoule Energie liefern. Um die gleiche Energiemenge aus der Verbrennung von Öl zu gewinnen, bräuchte man zwar nur 0,7 Tonnen Öl. Die Kosten dafür aber lägen beim derzeitigen Preis von etwa 60 Dollar pro 159-Liter-Fass (Barrel) bei weit mehr als dem Doppelten. Vor allem der rasant steigende Energiebedarf von Indien und China macht Kohle zu einem gefragten Energielieferanten. Allein China verbraucht inzwischen 37 Prozent des Weltbedarfs – und hat dem Kohleabsatz seit nunmehr sechs Jahren zu einem soliden Wachstum verholfen.

Kohlekraftwerke emittieren allerdings beträchtliche Mengen des Treibhausgases CO2 – mit rund drei Tonnen pro Tonne Stein- oder Braunkohle etwa anderthalbmal so viel wie Öl und doppelt so viel wie Gas. Das hat in Europa auch wirtschaftliche Folgen: Seit der Einführung des Emissionsrechtehandels kostet der Ausstoß von Kohlendioxid pro Tonne derzeit rund 10 Euro. Aus diesem Grund arbeiten Energieversorger und Kraftwerksbauer an so genannten "CO2-freien Kraftwerken". Auch hier ist das Prinzip simpel: Das Kohlendioxid wird abgetrennt, komprimiert und durch Leitungen zu unterirdischen Speichern geschickt. Dort wird es in den Erdboden verpresst und gelagert. Doch in der Praxis herrscht noch beträchtlicher Entwicklungsbedarf.

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Der erste Teil der Serie im Volltext auf TR-Online:

(wst)