Europäisches Patentamt: 2015 Sechster Anmelderekord in Folge
Unternehmen und Erfinder haben voriges Jahr 279.000 gewerbliche Schutzrechte beim Europäischen Patentamt beantragt, das sind 1,6 Prozent mehr als 2014. Philips hat Samsung vom Thron der größten Anmelder gestoßen.
In Zeiten interner sozialer Unruhe hat das Europäische Patentamt (EPA) am Mittwoch seinen Jahresbericht 2015 vorgelegt. Die Zahl der Anmeldungen stieg demnach um 1,6 Prozent gegenüber 2014 auf 279.000. Für das Wachstum sind vor allem Firmen aus China und den USA mit einem Plus von 22,2 beziehungsweise 16,4 Prozent verantwortlich. Die Nachfrage aus den 38 Mitgliedsstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO), die das EPA trägt, blieb mit einem Zuwachs von 0,7 Prozent dagegen relativ stabil.
Insgesamt kamen die meisten Anträge aus den USA, Deutschland, Japan, Frankreich und den Niederlanden. Die Zahlen weisen mittlerweile seit sechs Jahren in Folge nach oben.
Siemens vor Bosch und BASF
Der Anteil Deutschlands am gesamten Anmeldeaufkommen belief sich auf 16 Prozent. Patenthungrigstes Unternehmen hierzulande war Siemens mit 1849 Anträgen vor Robert Bosch, BASF, Bayer und Continental. In der Gesamtliste platzierte sich Siemens damit an fünfter Position. Führend ist dort mit Philips wieder ein europäischer Konzern, nachdem die Niederländer mit 2402 Einreichungen Samsung auf Rang zwei verweisen konnten. Auf den Plätzen drei und vier folgen mit LG und Huawei ebenfalls Firmen aus Südostasien.
Die meisten europäischen Patentanmeldungen entfielen 2015 auf die Felder "Medizintechnik", "Digitale Kommunikation", "Computertechnik" sowie "Elektrische Maschinen, Geräte und Energie". Dabei waren deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich vor allem im letztgenannten Sektor und bei "Transport" sowie "Maschinen, Pumpen und Turbinen" stark. Inwiefern es sich bei den Anträgen um die besonders umstrittenen Softwarepatente handelt, weist die Statistik nicht aus.
Erteilt hat das EPA im vorigen Jahr 68.000 Patente, was einem Anstieg von knapp sechs Prozent entspricht. Das Amt spricht insgesamt von einer "wachsenden Produktivität", die auf die unter Battistelli eingeleiteten Reformen zurückzuführen sei.
"Guantanamo in Deutschland möglich"
Die Kritik am Kurs des EPA-Präsidenten Benoît Battistelli hält derweil an. Patentprüfer beklagen in einem am Mittwoch gesendeten Beitrag des Bayerischen Rundfunks (BR), dass ihre Arbeit "sehr fließbandmäßig" geworden sei und nur noch "Wert auf quantitativen Output" gelegt werde. Deutschland dürfe der Haltung der EPA-Führung, als zwischenstaatliche Organisation nicht an nationales Recht gebunden zu sein, nicht "die Hand reichen", warnte der Ex-Bundesverfassungsrichter Siegfried Broß in der BR-Sendung: "Sonst wäre Guantananmo möglich in Deutschland."
Zuvor hatte ein Manager der EPA-Niederlassung in Den Haag angekündigt, dass die Behörde wohl selbst ein Urteil des Obersten Gerichts der Niederlande letztlich einfach zu den Akten legen und nicht akzeptieren würde. Der EPO-Verwaltungsrat will sich nun Mitte März mit dem internen Zwist beschäftigen. Seine Aufsichtsmöglichkeit stößt laut dem früheren österreichischen Mitglied Friedrich Rödler aber an "strukturelle Grenzen".
Das Bundesjustizministerium hat das EPA nach eigenen Angaben "mehrfach" aufgefordert, insbesondere die besonders gefürchtete "interne Ermittlungseinheit" an die Kandare zu nehmen und das Verfahren zum Bespitzeln von Mitarbeitern "zu ändern". Für die Mitgliedsstaaten ist die Behörde aber vor allem eine Geldkuh, deren Milch weiter laufen soll: 2014 erwirtschafte das EPA knapp 1,6 Milliarden Euro Umsatz allein mit Patenten und Verfahrensgebühren. (anw)