#FamilyAdminDay: Der Tag der IT-Bescherungshelfer - 2020-Videocall-Edition

Seite 2: Oma Hilde - technisch versiert bis ins hohe Alter

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Wir dachten ja letztes Jahr vorm Fest, wir seien auf alle Eventualitäten vorbereitet, als wir ihr einen DVD-Player mitsamt den Sissi-Filmen zum Fest schenkten. Es gab da im zuvor eine Situation. Dann kam die Pandemie. Und zum Geburtstag schenkten wir ihr ein paar Monate später ein Tablet - damit wir optimal in Kontakt bleiben konnten. Davon mal abgesehen, dass sie an solchen Geräten manchmal ungewollt technische Features aktiviert, die zum Teil selbst mir noch unbekannt sind, kommt sie damit besser klar, als man mit ihren 75 Jahren unbedingt erwarten könnte. Hilde versuchte aber auch schon in beruflichen Zeiten, als sie noch als Sekretärin arbeitete, auf Höhe der Technik zu bleiben.

Wir schenkten ihr das gleiche Tablet wie unseres. Das hatte den Vorteil, dass wir sie am Telefon Schritt für Schritt in die Videotelefonie einführen konnten. Es hat ein wenig gedauert, aber es klappte irgendwann und die erste Verbindung stand!

Seitdem sind die Anrufe zu ein regelmäßiges Ritual. Und auch die Kinder sind Feuer und Flamme. Morgen beim Videocall wollen sie Oma was vorspielen. Max mit der Blockflöte, Lisa mit der Gitarre. Und sie haben fleißig geübt. Wenn auch der Enthusiasmus noch das Können überwiegt.

Beide freuten sich zuden riesig über Omas großes Paket. Liebevoll verpackte Sendungen werden wieder zu etwas Besonderem, insbesondere dann, in Zeiten, wenn große Versandhändler DVDs in Kartons reinwerfen, in denen noch gut und gerne eine ganze Schrankwand Platz hätte.

Für den Job des Familyadmins ist die Fernwartung das Zauberwort. Ich ließ in der Familie die Zoom-, Teams- und Co.-Zugangsdaten kreisen. IT-Probleme selbst lösen sich zudem komfortabel per Teamviewer oder Windows. Klar, nicht alle Ideen sind gut. Bei Onkel Werners alter Win98-Webcam – natürlich aus der Grabbelkiste im Keller gefischt – verweigerte selbst der Standard-Treiber konsequent die Zusammenarbeit. Zum Glück, denn bei dem Bild hätte wahrscheinlich jeder gedacht, der Real-Player sei wieder auferstanden. Werner hat sich dann doch eine neue Webcam gegönnt.

Knifflig wurde es, als mich mein Bruder Stefan per Anruf aus dem Bett klingelte: Er wundere sich, weil er seit Tagen keine Mail mehr erhalten habe, und das, obwohl das Postfach nicht voll sei. Ein Blick in die Einstellungen des Webmailers offenbarte eine erschreckende Entdeckung: Irgendjemand richtete ohne sein Wissen eine E-Mail-Weiterleitung zu einer unbekannten Adresse ein und griff somit illegal jede ankommende E-Mail ab. Schon war ich hellwach. Da war schließlich höchste Eisenbahn geboten!

Ich bat ihn, seinen Laptop vorbeizubringen und durchforschte derweil in seinem Auftrag das Postfach, um nach Registrierungen und Log-Ins zu suchen. Und er hatte Glück im Unglück: Der Täter hatte zwar einige Accounts übernommen, dabei aber nicht viel Schaden anrichten können. In zwei Game-Accounts gabs nichts zu holen, da keine Zahlungsdaten hinterlegt waren. Und eine Ebay-Auktion hatte der Kriminelle zwar mit einer hochpreisigen Drohne eingestellt, aber Ebay schien den Braten zu riechen und sperrte unmittelbar danach die Auktion, bevor sie Schaden anrichten konnte. Letztlich habe ich ihn für sein loses Passwort-Management ausgeschimpft, den Rechner neu aufgesetzt und allen mit der E-Mail verbundenen Accounts sichere Passwörter verpasst.

Insgesamt war es jedenfalls ein merkwürdiges, aber auch arbeitsintensives Jahr. Man musste eben auf Distanz gehen, um die lieben Menschen zu schützen. Dabei liegen die merkwürdigen Tage nach Heiligabend erst noch an. Anstatt quer durch die Republik zu fahren, wird es ein, zwei gemeinsame Videocalls geben.

Und sie werden noch einsamer als gewünscht. Mein Schwager Günther, der mich mit seinen Beratungsbedarf für seine IT-Projekte oft anrief, lebt nicht mehr. Wie sehr hat er mich mit seinen verrückten Ideen manchmal zur Weißglut gebracht! Und wie gern würde ich jetzt für ihn den nächsten 3D-Drucker, die Grafikkarte oder Raspi-Projekt installieren. Das wird nie mehr geschehen.
Die Pandemie ist grausam.